Die Werktagskapelle
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mit Ottobrunner "biblia pauperum" von Werner
Persy
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"Unser Leben ist vielfach reduziert auf die paar Fähigkeiten,
die wir zur Bewältigung unseres Alltags benötigen. Aber der ganze Reichtum menschlichen Miteinanders liegt
oft brach. (Biblische) Bilder wollen diesen Reichtum ins Bewusstsein rufen. Sie tun es nicht als Forderung,
sondern indem sie uns einladen, auf dem Hintergrund des Bildes Neues zu wagen." |
P. Anselm Grün OSB |
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Die Architektur
Prof. Caspari hat hier nicht wie in vielen neuen Kirchen nur einen Nebenraum der Pfarrkirche geschaffen. Es ist ein eigenständiger, turmhafter,
bergender Raum.
In diesem Raum soll der Einzelne Geborgenheit in seiner Not finden, während in der Kirche die Gemeinschaft
der Versammelten Heimat schaffen soll. Viele unserer Besucher empfinden unsere Kapelle als einen geglückten
Raum.
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Die Ausgestaltung
Der Trierer Maler Werner Persy hat für die Ausgestaltung der
Kapelle das Thema "Heilsgeschichte des Menschen gewählt". Durch die Aneinanderreihung von biblischen
Szenen ist das entstanden, was man in der Kunstgeschichte "biblia pauperum" nennt.
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Die Zuordnungen
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1. |
Der Schöpfung des Menschen (Westseite) steht
die Geburt des Herrn (Ostseite) gegenüber, dem
alten Adam der neue Adam (Röm 5). |
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2. |
Dem Auszug aus der Knechtschaft Ägyptens
(Nordseite) ist die Befreiung aus der Drangsal unserer Städte (Südseite)
entgegengestellt. |
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3. |
Der Geistvision des Ezechiel (Nordseite)
entspricht die Geistsendung an die erste Jüngergemeinde (Südseite). |
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Der alttestamentliche
Teil
Die Schöpfung
(Gen 1-2)
Die Lehre Darwins von der Abstammung des Menschen vom Affen hat vielen Menschen Not
mit den ersten Kapiteln der Bibel gebracht. Völlig zu Unrecht. Es ist nur ausgesagt, dass das Leben aus Gott
kommt und dass der Mensch etwas ungeheuer Wertvolles ist.
"Lasset uns den Menschen machen nach unserem Ebenbild."
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Der Sündenfall
(Gen 3)
Es ist die große Versuchung des Menschen Gott zu vergessen, an die Stelle der Ebenbildlichkeit die Gleichheit zu
setzen.
"Ihr werdet wie Gott sein, wissend Gutes und Böses."
Ein Mensch, der sich selbst zum Gott macht, wird zum Zerstörer und Tyrannen. Wir
sind zum Gottes-Dienst geschaffen.
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Kain und Abel (Gen 4)
Der Frevel des Kain ist der Beschluss zur Beseitigung des
Bruders. Abel ist das Opfer eines Konkurrenzkampfes, der zum Menschsein gehört. Das Neue Testament zitiert diese
Stelle vier Mal (Mt 23,35; 1 Jo 3,12; Heb 11,4; Heb 12,24). Der Künstler hat uns durch den Vergleich mit den kämpfenden
Tieren eine Mahnung gesetzt, Mensch zu bleiben.
"Warum bist du zornig und warum ist dein Angesicht
finster..., es lauert die Sünde vor der Tür. Nach dir steht ihr Begehren; du aber herrsche über sie."
Der Turm zu Babel (Gen 11)
"Babel" heißt Pforte Gottes. Die Geschichte vom Turmbau zu Babel ist auch
eine gute Nachricht. Wenn wir an den "Big Brother" des Romans "1984" von G. Orwell denken,
wird uns klar, dass Verschiedenheit eine Hilfe zur Freiheit ist.
Noach
(Gen 8 und 9)
Gott will nicht den Untergang des Menschen. Der Künstler hat
das Bundeszeichen des Noachbundes bereits mit in das erste Bild hineingearbeitet. Im Bild des Regenbogens
begegnet uns erstmals das für das Alte Testament so ungeheuer wichtige Wort: Bund. Gott will unser Leben.
"Solange die Erde noch steht, sollen Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht
nicht mehr aufhören."
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Der brennende
Dornbusch (Ex 3)
Der unfassbare Gott wird uns gezeigt im Bild des leuchtenden aber nicht zerstörenden
Feuers. Das Anderssein Gottes fordert meine Ehrfurcht. Doch sagt das Bild von den abgelegten Schuhen auch,
dass ich Gott "ungeschützt", d.h. ganz ehrlich ohne Vorbehalte, begegnen muss um ihn wirklich zu spüren.
Wer sich von der Brüchigkeit der Zivilisation nicht den Blick verstellen lässt, wer in die Natur schaut, erfährt
die Existenz Gottes.
"Gott sagte dem Mose: Ich bin der Ich-bin-da."
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Das Abrahamsmahl (Gen 18)
Der alttestamentliche Mensch kennt die Gastfreundschaft weit mehr als wir. Wenn uns
hier berichtet wird, dass Abraham in den 3 Fremden Gott bewirtet, fällt uns dazu vielleicht der
neutestamentliche Hinweis ein: "Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir
getan." - Doch hier geht es um eine andere Dimension: Abraham erfährt, dass Gott in einem erstaunlichen
Maße in sein Leben eingreift.
"Ist denn für Gott etwas zu wunderbar?"
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Der Aufbruch
Israels (Ex 12 und 13)
In keiner Feier der Osternacht fehlt diese Deutung aus dem
Buch Exodus, wo uns davon berichtet wird, dass Gott sein Volk aus der Knechtschaft befreit. Die Liturgie
ordnet diesen Text der Befreiung aus der Schuld zu. So wie das Alte Testament in Mose eine Führergestalt
hat, hat das Neue Testament diesen Jesus, der uns in der Verkündigung des barmherzigen Vaters aus unserer
existentiellen Not befreit. In einem schwedischen Kirchenlied von 1970 heißt es "Unser versklavtes Ich
ist ein Gefängnis und ist gebaut aus Steinen unserer Angst. Herr, wenn du uns freisprichst, dann ist Freiheit
da." Mose singt mit seinem Volk:
"Meine Stärke ist Gott und mein Lied, er
wurde mir zum Retter. Er ist mein Gott, ihn will ich preisen." |
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Der Jakobskampf (Gen 32)
Der Bericht will sicher zunächst Namen erklären: Die
Ortsbezeichnung Penuel (Angesicht Gottes) und den Personen- und Volksnamen Israel (Gottesstreiter), doch steht
dahinter mehr: Die Erfahrung, dass es ein Ringen des Menschen mit Gott im Gebet gibt, das nicht erfolglos
bleibt. Der Maler hat den Jakob hier nicht als einen kämpfenden, vielmehr als einen suchenden Menschen
aufgefasst. Dass Gott hier nicht seinen Namen nennt, sich also nicht vom Menschen in Besitz nehmen lässt,
gibt unserem Gebet eine Richtung. Wir können nicht beten "Gott mach das und jenes nicht". Wir können
nur versuchen zu erahnen, was Gott uns durch unsere Erlebnisse mitteilt. Erlebnisse zeichnen uns, sie
hinterlassen Spuren - Spuren Gottes.
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Der
Einzug der Bundeslade (1 Chr 13)
Die Bundeslade ist der Schrein, in dem die Gesetzestafeln des
Mose aufbewahrt werden. Im Laufe der jüdischen Geschichte wurde diese Lade zum Symbol der Gegenwart Gottes.
David schlägt vor, die Lade wieder in die Mitte des Volkes zu holen, "denn in den Tagen Sauls haben wir
nicht nach ihr gefragt". Viele Menschen fragen heute nicht nach Gott - außer in der Not. Gott will aber
unseren Dienst, unser Lob:
"David und ganz Israel tanzten vor Gott mit aller Macht und unter Liedern."
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Die Totenfeldvision des Ezechiel (Ez 37)
Das unbequeme Amt des Propheten war und ist es, die Sache Gottes
zu vertreten, auch wenn es gerade niemand hören will. Sein Amt ist es aber auch, zu ermutigen. Ezechiel sagt zu
seinen Landsleuten (vom Maler in den zwei dunklen Gestalten angedeutet), die da klagen: "Dahin ist unsre
Hoffnung, mit uns ist es aus", in seinem Bild von den lebendig werdenden Knochen: "Ich öffne eure Gräber".
In unserer Alltagssprache: "Habt doch Mut! Gott kann uns helfen. Hockt nicht trauernd herum, tut etwas für
die Gemeinschaft und es geht weiter". Biblisch heißt es:
"Ich lege meinen Geist in euch hinein, dass ihr
lebendig werdet ... ihr sollt erkennen, dass ich, Gott, es gesagt und ausgeführt habe."
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(Fortsetzung)
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Last updated
04.12.07 |
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