Liebe katholische Mitchristen!
Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt etwas. Es ist nicht
das Geld. Es sind auch nicht die Gläubigen.
Unserer katholischen Kirche in Deutschland
fehlt die Überzeugung, neue Christen gewinnen zu können.
Das ist ihr derzeit schwerster Mangel. In unseren Gemeinden, bis in
deren Kernbereiche hinein, besteht die Ansicht, dass Mission etwas für
Afrika oder Asien sei, nicht aber für Hamburg, München, Leipzig oder
Berlin.
Im Normalfall vertrauen wir als Mittel der "Christenvermehrung" auf
die Taufe der Kleinstkinder. Dagegen ist im Grunde auch nichts zu
sagen. Es ist freilich heutzutage nicht das Selbstverständlichste von
der Welt - weder in Thüringen noch in Bayern -, dass alle als
Kleinstkinder Getauften auch wirklich "nachhaltig" Christen werden.
Manche katholische Eltern spüren das selbst sehr schmerzlich, wenn sie
sehen, wie sich ihre Kinder trotz allen Bemühens von der Kirche
entfernen. Wir trösten uns dann schnell mit dem Spruch: "Die
Verhältnisse heute sind eben so!" Und von manchen wird noch
nachgeschoben: "Die Kirche ist ja z.T. selbst daran schuld!", wobei
gemeint ist, dass sie sich eben nicht genug heutigen
Lebenseinstellungen und Gewohnheiten anpasse.
Es ist eine Tatsache, dass religiöse Vorgaben, überhaupt
gesellschaftliche Gepflogenheiten heute nicht mehr so fraglos
übernommen werden wie in vergangenen Generationen. Darüber zu klagen
ist wenig sinnvoll. Es ist einfach so, und wir beobachten solches
Verhalten auch an uns selbst.
Dies bringt, so meine ich, eine entscheidende Chance mit sich:
Der christliche Glaube wird wieder neu zu
einer echten persönlichen Entscheidung. Das
Traditionschristentum wandelt sich mehr und mehr zu einem
Wahlchristentum. Damit rücken wir wieder an die Ursprungszeit des
Christentums heran, in der der Taufe die persönliche Bekehrung
voranging - ohne dass die ständige Umkehr nach der Taufe unnötig
wurde!
Nun wissen wir: Bekehrungen sind nicht zu "machen". Sie stellen
sich nicht auf Befehl ein. Nur Gott allein kann Menschen zu Umkehr und
Lebenserneuerung bewegen. Doch ist — und dieser Gedanke bewegt mich zu
diesem Brief — diese Aussage kein Alibi dafür, die Hände in den Schoß
zu legen und auf das göttliche Wunder einer automatischen
"Christenvermehrung" zu warten.
Wir alle stehen in der Sendung Jesu. Er verstand sich als der "Bote
Gottes", als "Evangelist" für sein Volk und die Menschen seiner Zeit.
Er hat die Jünger, und somit auch uns eindringlich aufgefordert,
selbst seine Boten für die Zeitgenossen zu werden. "Macht alle
Menschen zu meinen Jüngern!", ruft der auferstandene Herr auch der
Kirche unserer Tage zu. Und das ist durchaus programmatisch gemeint.
Wie antworten wir auf diese Aufforderung? Sagen wir wie die Jünger
nach erfolglosem Fischfang: "Meister, wir haben die ganze Nacht
gearbeitet und nichts gefangen"? Ein Pfarrer sagte mir einmal halb
ernst, halb scherzhaft: "Ich habe hier an meinem Ort mit
'fortlaufendem Erfolg' gearbeitet!" Und er meinte damit, dass sich die
Katholikenzahl in den letzten 20 Jahren seines Wirkens um die Hälfte
verringert hat. Die Jünger belassen es bekanntlich nicht bei ihrem
resignativen Stoßseufzer. Petrus, als ihr Sprecher, rafft sich in
dieser biblischen Szene auf und fügt hinzu: "Doch wenn du es sagst,
werde ich (noch einmal) die Netze auswerfen!" Das klang zwar auch
nicht sonderlich begeistert, aber es war immerhin ein Anfang!
Ich habe die Vision einer Kirche in
Deutschland, die sich darauf einstellt, wieder neue Christen
willkommen zu heißen. Diese Vision wird hier und da schon
Realität. Im Jahr 1998 wurden in allen deutschen Diözesen 248.000
Kleinstkinder getauft, aber auch 3.500 Jugendliche bzw. Erwachsene. Je
mehr sich Menschen, zum Teil schon in der zweiten und dritten
Generation von der Kirche entfernt haben, desto mehr wird es Einzelne
geben, die sich auf Grund persönlicher Entscheidung Gott und der
Kirche zuwenden wollen. Es wird in Zukunft Frauen und Männer geben,
die - obwohl getauft, aber später nicht voll in die Kirche
eingegliedert - das Verlangen haben, als Erwachsene diese "Einführung
in das Christ-Sein" nachzuholen. Es gibt nicht nur Menschen, die die
Kirche (in der sie oft gar nicht richtig verwurzelt waren) verlassen.
Es gibt zunehmend auch Zeitgenossen, die nach dem "Eingang" fragen,
der in die Kirche hineinführt. Es ist entscheidend,
wen sie in diesem
Eingangsbereich treffen. Es wird wichtiger werden als bisher,
wie sie
dort empfangen werden.
Liebe Mitchristen!
Was muss geschehen, damit die katholische Kirche in unserem nun
geeinten Deutschland wieder Mut fasst, ihren ureigensten Auftrag
anzugehen. Die Kirche ist nicht um ihrer selbst willen da. Sie soll
Gottes Wirklichkeit bezeugen und möglichst alle Menschen mit Jesus
Christus, mit seinem Evangelium in Berührung bringen. Eine verdrossene
und von Selbstzweifeln geplagte Kirche kann das freilich nicht; auch
nicht eine Kirche, die sich vornehmlich mit sich selbst beschäftigt.
Was ist zu tun?
Aus Verdrossenheit und Selbstzweifeln kommt man am schnellsten
heraus, wenn man sich einer lohnenden Aufgabe zuwendet, noch besser:
wenn man sich einem Mitmenschen zuwendet. Auf unsere Kirche, besonders
in den neuen Bundesländern, aber eben nicht nur dort, wartet eine
solche lohnende Aufgabe. Es warten Menschen auf unser Lebenszeugnis.
Sie warten darauf zu erfahren, was Jesus Christus für uns im Alltag
unseres Lebens bedeutet. Sie warten nicht nur darauf, sie sind schon
dabei, dies unauffällig, aber kritisch-interessiert zu beobachten.
"Zuwendung zu den Menschen" - natürlich geschieht das immer schon
in unseren Diözesen, Tag für Tag, durch tausende Frauen und Männer -
ausdrücklich im Auftrag der Kirche oder einfach als Mensch unter
Mitmenschen. Auf diese Präsenz unserer Kirche mitten in der
Gesellschaft - im Geist und in der Gesinnung Jesu - bin ich stolz. Das
ist der eigentliche Reichtum der Kirche.
Meine Frage lautet: Wäre dieses "Kapital" nicht zu nutzen? Ist in
dieser Zuwendung zu den Menschen nicht angelegt, was wir "Mission" und
"Evangelisierung" nennen? Ich gebe zu: Diese Begriffe haben für manche
Zeitgenossen, auch für manche Katholiken einen Unterton, der nach
Belehrung, ja nach Indoktrination riecht. Wir sollten daher bei ihrem
Gebrauch vorsichtig sein. "Mission" heißt für mich schlicht: Das
weitersagen, was für mich selbst geistlicher Lebensreichtum geworden
ist. Und "Evangelisieren" meint: Dies auf die Quelle zurückführen, die
diesen Reichtum immer neu speist: auf das Evangelium, letztlich auf
Jesus Christus selbst und meine Lebensgemeinschaft mit ihm. Nicht die
Begriffe sind wichtig. Es geht um die gemeinte Sache.
Um es einmal in einem Bild zu sagen: Wer zu einem Fest einladen
will, wird sich um drei Dinge zu sorgen haben:
1. dass seine Einladung glaubwürdig ist;
2. dass sie wirklich "ankommt" und
3. dass sie Vorfreude weckt.
Ich wage diesen Vergleich im Umfeld des Themas "missionarische
Kirche" heranzuziehen, weil Jesus selbst in seinen Gleichnissen häufig
das Bild vom "Gastmahl" benutzt hat. Damit hat er Gottes Absichten mit
uns Menschen verständlich zu machen gesucht.
Von diesem Bild "Einladung zu einem Fest" ausgehend, skizziere ich
drei Herausforderungen für eine "missionarische und evangelisierende
Kirche" in Deutschland:
I. Neu entdecken, dass der Glaubensweg in der
Nachfolge Jesu freisetzt und das Leben reich macht
Am Beginn jeder Evangelisierung der Welt steht unsere
"Selbstevangelisierung". Wir sind als Christenmenschen auf einem Weg.
Wir stehen nicht am Anfang. Wir haben schon vom Evangelium
"geschmeckt". Wir haben schon gute Erfahrungen mit Gott und dem
Christsein gemacht. Und genau diese, durchaus anfanghaften und
scheinbar so unbedeutenden eigenen Erfahrungen sind die Grundlage für
unsere Befähigung, das Evangelium für andere interessant werden zu
lassen.
Für mich kann ich bezeugen: Die geistige Armut des alten
ideologischen Systems im Osten Deutschlands hat mich meinen
katholischen Glauben als Bereicherung erfahren lassen: sein
Menschenbild, seine Welt- und Lebensdeutung, seine sittlichen
Grundsätze und kulturellen Ausprägungen. Ich habe mich als
katholischer Christ in den DDR-Jahren "freigesetzt" gefühlt, nicht:
"kirchlich gebunden". Nach zehn Jahren Erfahrung mit der
"Nachwende-Gesellschaft" und ihren (zugegeben!) andersartigen
"Torheiten" habe ich bis heute noch keinen Grund gefunden, diese
Einschätzung zu revidieren. Sind ähnliche Erfahrungen nicht auf andere
Weise auch "im Westen" gemacht worden?
Meine Erfahrung ist: Nichtkirchliche Zeitgenossen reagieren dort
sehr aufmerksam, wo Christen in Gesprächen, in Alltagsbegegnungen mit
eigenen Lebenserfahrungen "herausrücken". Persönliches interessiert
immer! "Wie hast du das gepackt?" "Wie ist es dir damit ergangen?"
Christen, die andere an ihrem Leben teilhaben lassen, gerade auch,
wenn es nicht glatt und problemlos verläuft, sind für ihre Umwelt
interessant. Unser eigener, ganz persönlicher Gottesglaube, auch mit
seinen Zweifeln und Fragen, muss "sprechend" werden - in Worten und
Taten. Wer die Höhen und Tiefen seines eigenen Lebens mit österlichen
Augen ansehen und deuten kann, kann auch anderen helfen, die eigene
Biografie in neuem Licht zu sehen.
Wo dieses "Zeugnis des Lebens" gegeben wird, da öffnen sich Türen
und Herzen. Da bekommen andere Mut, ebenfalls christliches Verhalten
zu "erproben". Da erhalten alte Worte auf einmal wieder neuen Glanz,
Worte etwa wie: Ehrfurcht und Staunen, Mitleid und Fürsorge,
Selbstbegrenzung und Maß, um nur einige christliche Grundhaltungen zu
nennen, die derzeit wieder hochaktuell sind. Wir sind reicher als wir
meinen. Christen wissen um Hoffnungsgüter, von denen die Zukunft leben
wird.
Das führt mich zu einer zweiten Herausforderung für uns Katholiken in
Deutschland:
II. Häufiger, selbstverständlicher und mit
"demütigem Selbstbewusstsein" von Gott zu anderen sprechen
Ist das ein zu verwegener Gedanke? Mir ist bewusst: Die Menschen
sind heute gegenüber Werbung, zumal wenn diese sich zu aufdringlich
gibt, kritisch. Das gilt auch gegenüber religiöser Werbung. Die
Menschen wollen nicht das Gefühl haben, als "Mitglieder", womöglich
für eine Großorganisation, angeworben, gleichsam "vereinnahmt" zu
werden.
Vielen Zeitgenossen erscheint unsere Kirche als eine Art
"Großkonzern", als eine Art "global player", dem es durchaus mit
Respekt, aber eben auch mit der nötigen Vorsicht zu begegnen gilt.
Anders ist es, wenn Menschen von der Kirche "Gesichter" sehen. Und das
sollte möglichst nicht nur der Papst sein. Mein Standardbeispiel für
dieses Verlangen ist der Ausruf eines Kranken, den der Gemeindepfarrer
nach längerer Zeit nun doch besuchen kam, und der den Seelsorger mit
dem freudigen Satz begrüßte: "Das ist aber schön, Herr Pfarrer, dass
die Kirche (!) einmal nach mir schaut!" Wir sind für mehr Leute
"Kirche" als wir ahnen!
Gibt es für uns alle nicht tausend Möglichkeiten, so nach den
Menschen zu schauen - mit den Augen Jesu, mit der Bereitschaft, wie er
in Wort und Tat zu sagen: "Bruder, Schwester, komm - steh auf!" "Lass
dir sagen: Du bist nicht allein! Du bist angenommen! Du bist gewollt!
Du bist geliebt!" In solchen Worten ist für mich das ganze Evangelium
auf den Punkt gebracht. Denn es sind Worte, die eben nicht
wir
sprechen, sondern die durch uns Christus, der Herr, zu den Menschen
spricht.
Es gibt in unseren gesellschaftlichen Breiten die verständliche
Scheu, vorschnell religiöse Vokabeln zu gebrauchen. Doch darf diese
Scheu nicht dazu führen, dass wir geistlich "stumm" werden. Folgende
Erfahrung sollte uns Mut machen: Wirklich Authentisches hat auch heute
seine Faszination! Wer einen anderen wirklich gern hat, wer ihm von
Herzen gut sein will, der wird die rechte Art und Weise finden, ihn
auch mit Gott und seiner Liebe in Berührung zu bringen. Und zwar
"ausdrücklich", denn unser Gott hat ein "Gesicht" und einen Namen, den
man anrufen kann.
Wer einmal Pfarrgemeinden in der so genannten "Dritten Welt" oder
auch in Osteuropa besucht hat, der hat dort u.U. eine Unbefangenheit
und Selbstverständlichkeit des Christseins kennen gelernt, die hier zu
Lande kaum noch anzutreffen sind. Mit Freude, ja mit Stolz "zeigen"
dort die Menschen ihr Christsein. Sie, die oftmals materiell sehr arm
sind, können uns mit ihrer ungekünstelten Freude und Einfachheit
wirklich "reich" machen. Nach solchen Begegnungen spüre ich deutlicher
als jetzt am Schreibtisch, was uns Katholiken in Deutschland fehlt.
Und eine dritte Herausforderung sollte einer "missionarischen Kirche"
vor Augen stehen, oder besser gesagt: Wir brauchen als Kirche eine
Vision:
III. Die Vision des "Festes", zu dem Gott uns
alle einladen will. Wir brauchen die Vision Jesu vom Gottesreich, das
schon hier und jetzt, mitten unter uns da ist
Etwa in der Art und Weise, wie wir jetzt Gottesdienst feiern, wie
wir uns begegnen, wie wir miteinander und mit unseren Problemen
umgehen, wie wir anderen, nichtkirchlichen Zeitgenossen begegnen. In
all diesen scheinbar alltäglichen Dingen kann sich "Reich Gottes"
ankündigen, auch wenn wir durchaus realistisch unsere menschliche
Unzulänglichkeit und erbsündliche Gebrochenheit mit in Rechnung
stellen.
Noch kürzer gesagt: Wer mit Kirche zum ersten Mal in Berührung
kommt, sollte damit rechnen dürfen, willkommen zu sein. Das
"Bodenpersonal Gottes" darf nicht kleinlich sein, wenn Gott selbst
großzügig ist. Kirche ist zwar nicht für alles, aber doch "für alle"
da. Die Kerngemeinde muss beispielsweise lernen, auch mit den
kirchlich nicht ganz "Stubenreinen" gut umzugehen. Hier tun wir uns
bekanntlich sehr schwer. Auch unabhängig von der Frage nach der
Zulassung zu den Sakramenten müssen die Menschen spüren: Wir sind in
der Gemeinde willkommen. Zeichen des "Willkommen-Seins" sind ja nicht
nur die Sakramente. Der ganze Bereich der außersakramentalen Zeichen,
die ja auch "Gottesberührungen" sind, wird zunehmend an Bedeutung
gewinnen. Gerade auf diesem Feld hat unsere katholische Kirche eine
reiche Erfahrung. Diese gilt es zu nutzen und weiterzuentwickeln.
Wir brauchen in unseren Ortskirchen "Biotope des Glaubens",
existenziell glaubwürdige "Lernfelder", in denen christliche
Lebenshaltungen eingeübt werden können. Das werden vornehmlich unsere
Pfarrgemeinden mit ihren Lebenszellen sein, etwa kleinere Gruppen, in
denen z.B. erwachsene Taufbewerber begleitet werden. Aber wir müssen
im Blick auf die "bunten" Lebenssituationen der Menschen uns
vermutlich noch andere christliche "Milieu-Formen" in dieser
postmodernen Gesellschaft einfallen lassen.
Ich denke an die vielen Ungläubigen und "Halbgläubigen", die in
Zukunft vermehrt mit der Kirche Berührung suchen werden, etwa beim
festlichen Weihnachtsgottesdienst, bei der Einschulung ihrer Kinder,
bei der Beerdigung eines Angehörigen, in eigener Krankheit oder manch
anderen Situationen. Es gibt Erwartungen an die Kirche, die wir nicht
leichthin abtun sollten. Wir sind nicht nur für die
"Hundertprozentigen" da. Wir sind es ja bekanntlich selbst nicht!
Es muss sich in unserem ortskirchlichen Umfeld herumsprechen: "Da
bei der Kirche gibt es Leute, da kannst du einmal hingehen!" "Dort
wirst du gut behandelt! Da hat man für dich und deine Anliegen ein
Ohr!" Die Pfarrgemeinde, das Pfarrhaus, die Verbandsgruppe, andere
kleine Lebensgruppen von Gläubigen müssen als "Orte" gelebter
Christlichkeit, als "Orte" des Erbarmens, möglicher menschlicher
"Annahme", der mitmenschlichen Nähe bekannt sein. Derzeit ist die
Kirche leider mehr im Verdacht, die Menschen zu verschrecken und ihnen
das Leben zu vermiesen, als sie für Gott und füreinander freizusetzen.
Diesem Grundverdacht muss energisch entgegengewirkt werden. Dass aus
einer derartigen "Kirche-Berührung" dann auch eigene Lebensumkehr
folgen muss, steht auf einem anderen Blatt. Umkehr erwächst freilich
aus Annahme, nicht umgekehrt. Und jede "Annahme", auch jene, die
Anforderungen stellt und einen Neuanfang in den Blick nimmt, ist heute
für die Menschen wie ein Fest inmitten einer oft harten und
unmenschlichen Welt.
Liebe Mitchristen!
Sie werden sagen: Der Bischof hat gut reden. Kennt er wirklich die
Probleme? Weiß er, wie heute von Kirche und Papst, von Gott und
Christentum geredet wird? Hat er die "Stacheldrahtverhaue" und
"Minenfelder" im Blick, die heutzutage eine Erwachsenentaufe nahezu zu
einem Wunder machen? Ich antworte: Ja und Nein. Manches an
Anfechtungen habe ich auf meinem eigenen Glaubensweg in den DDR-Zeiten
erlebt. Manches erfahre ich in meiner eigenen Verwandtschaft, in der
junge Leute zur Kirche auf Distanz gehen. Anderes wissen Sie, liebe
Mitchristen, vermutlich noch besser!
Ich lade Sie ein, in Ihrem Gemeinde- und Lebensumfeld über diesen
Brief zu sprechen und mir ggf. ein schriftliches "Echo" zu geben. Sind
die Zielvorgaben, die ich hier vorgetragen habe, für die katholische
Kirche in Deutschland realistisch? Wo sehen Sie konkrete
Möglichkeiten, ihnen näher zu kommen? Gibt es Hoffnung, neu oder noch
überzeugender unsere Kirche zu einer Kirche des "Willkommens" für die
Menschen zu machen?
Dass eine Ortskirche nicht wächst, mag auszuhalten sein, dass sie aber
nicht wachsen will, ist schlechthin unakzeptabel. Teilen Sie dieses
Urteil? Wenn ja, dann muss uns Katholiken in Deutschland zum Thema
"missionarische Kirche" mehr einfallen als bisher.
In der Zuversicht, dass dies möglich ist, grüßt Sie
Bischof Joachim Wanke aus Erfurt |