I.
Das Thema "Einheit der Kirche und Gemeinschaft im Herrenmahl" ist in
jüngster Zeit vor allem angestoßen worden durch die Frage, welches denn
die praktischen Folgen der Unterzeichnung der Vereinbarung über die
Rechtfertigung zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen
Kirche, vertreten durch den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der
Christen, am 31.Oktober 1999 in Augsburg seien. Schließlich geht die Frage
bereits zurück auf den ersten Besuch von Papst Johannes Paul II. in
Deutschland, bei dem während der Mainzer Begegnung am 17. November 1980
offiziell die Frage nach künftigen gemeinsamen Wegen gestellt wurde, nicht
zuletzt im Blick auf die Gottesdienstgemeinschaft und das Verhältnis zu
den bekenntnisverschiedenen Ehen. Unabhängig davon gab es bereits Ende der
60er und in den 70er Jahren eine sehr intensive theologische Diskussion,
die bisher in dieser Dichte nur selten wieder erreicht worden ist. M. Eham
hat in seiner umfangreichen Dissertation "Gemeinschaft im Sakrament?" den
Ertrag dieser Bemühungen auf über 800 Seiten zusammengefasst und relativ
leicht zugänglich gemacht.
Es ist nicht möglich und in gewisser Weise auch nicht notwendig, all
dies zu wiederholen, was in diesen Jahren erarbeitet worden ist und auch
Eingang gefunden hat in nicht wenige ökumenische Konsens-Dokumente. Heute
ist die Frage in der Folge der Unterzeichnung des genannten
Rechtfertigungs-Dokumentes und besonders angesichts des geplanten
Ökumenischen Kirchentages im Jahr 2003 in Berlin auch deshalb besonders
zugespitzt worden, weil solche konkreten Angaben von Daten in die
Diskussion eingeführt wurden. Der Druck, der dadurch in der Öffentlichkeit
entstanden ist, ist jedoch in eins mit einer festen Zeitangabe keine gute
Voraussetzung auf dem Weg zu einer gedeihlichen Klärung dieser schwierigen
Fragen. Dabei will ich das Leiden vieler Menschen, besonders in
bekenntnisverschiedenen Ehen, nicht verkennen und die Unruhe nicht
totschweigen, die vom Wort des Herrn nach der Einheit der Christen
ausgeht.
Unter dieser Voraussetzung ist es jedoch im Augenblick lohnend, den
Fragen nach der eucharistischen Gastfreundschaft und der
Abendmahlsgemeinschaft nachzugehen. Ich werde mich in meinem Beitrag
weitgehend auf die theologischen Grunddaten beziehen. Die
Bischofskonferenz berät ja seit langer Zeit anhand der Vorarbeiten ihrer
Ökumene-Kommission die Frage einer gemeinsamen Erklärung zu diesem Thema.
II.
Am Anfang möchte ich im Sinne eines Rahmens für das Ganze die besondere
Dringlichkeit unseres Themas in Erinnerung rufen. Die Spaltung der Kirche
Jesu Christi ist und bleibt im Blick auf das Testament unseres Herrn ein
großes Ärgernis. Niemand, dem die Einheit der Kirche am Herzen liegt, kann
der Frage nach der vollen Realisierung in der eucharistischen Gemeinschaft
gleichgültig gegenüberstehen. Das Problem der "Abendmahlsgemeinschaft"
bzw. der "Eucharistischen Gastfreundschaft" ist und bleibt gerade bei
allen Fortschritten des ökumenischen Gesprächs so etwas wie ein Stachel im
Fleisch.
Bei diesen Themen kommen viele andere Probleme mit ins Spiel. Sie sind
historischer, exegetischer, dogmatischer und praktischer Natur. Oft
verschlingen sie sich wie in einem festen Knoten. Unvermeidliche
emotionale und affektive Akzente machen die Sache nicht leichter. Umso
notwendiger ist es, nicht nur mit größter Sorgfalt an die Dinge
heranzugehen, sondern auch die Strenge der theologischen Reflexion
einzuhalten, selbst wenn der Druck vor allem durch die sehr verständliche
Ungeduld der Betroffenen immer größer wird. Aber man kann die noch
mühsame, ausstehende theologische Erklärung nicht durch ein
aktionistisches, letztlich auch willkürliches Handeln ersetzen. Alle
Leidenschaft, die hier durchaus einen gewissen Schwung geben kann, muss in
ein zielorientiertes, gemeinsames Ringen mit großem Einsatz und nicht
weniger großer Geduld im Umgang miteinander umgesetzt werden. Aber gerade
dies verpflichtet auch je auf ihre Weise die wissenschaftliche Theologie
und die Kirchenleitungen.
III.
Unter diesen Voraussetzungen möchte ich an einige Grundeinsichten
erinnern, die bereits für den Zugang zum Problem Abendmahlsgemeinschaft
elementar wichtig sind. Denn auch in der postkonziliaren katholischen
Theologie sind viele Erkenntnisse in der Lehre der Eucharistie und auch
der Kirche noch nicht überall genügend verarbeitet worden und in unserem
aktuellen Bewusstsein präsent. Die neuzeitliche Eucharistielehre ist über
Jahrhunderte vor allem durch drei Grundthemen bestimmt geblieben, die das
Konzil von Trient als katholische Lehre herausgestellt hat und die
verständlicherweise gerade deshalb in der Diskussion mit der
reformatorischen Theologie maßgeblich geblieben sind. Es sind die drei
Lehrstücke der Realpräsenz, der Wandlung der Gaben von Brot und Wein in
Fleisch und Blut des Herrn (Transsubstantiation) und des Opfercharakters
der Eucharistie. Selbstverständlich sind diese dogmatischen Klärungen
unersetzlich, aber sie haben durch einige Wiederentdeckungen einen neuen
Horizont erhalten, der vor allem das kontroverse Gespräch über diese
Themen bis zu einem gewissen Grad besser ermöglicht.
Kirche als Communio: Der Grundgedanke von Kirche als Communio, der
vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf katholischer Seite
stärker entfaltet wurde, bedeutet, dass die Kirche Sammlung und
Zusammenführung der Menschen für Gott aus allen Himmelsrichtungen ist.
Dies zielt zuerst auf eine Vereinigung mit Gott, die aber auf ihre Weise
in der horizontalen Dimension eine Vereinigung der oft untereinander
zerrissenen und unversöhnten Menschen mit sich bringt. Kirche ist in
diesem Sinne die Kommunion des Wortes und des Leibes Christi, die sie
selbst wiederum ein Volk werden lässt. Das gebräuchliche Wort von
der "Kommunion" hat also einen tiefen Hintergrund. Die neuere sogenannte
"eucharistische Ekklesiologie", die anfangs vor allem von den Orthodoxen
vertreten wurde, vertieft nun diese Gedanken und vertritt die Überzeugung,
dass die Kirche – zunächst unabhängig von allen historischen Fragen einer
Kirchengründung – entstanden ist, als der Herr unter den Gestalten von
Brot und Wein seinen Leib und sein Blut "für die vielen" gegeben hat und
der Kirche den Auftrag zur Wiederholung gegeben hat: Tut dies zu meinem
Gedächtnis. Die Kirche selbst ist in ihrer Herkunft, in ihrer Gegenwart
und in ihrer Sendung eigentlich nichts anderes als eine einzige Antwort
auf diesen Auftrag Jesu Christi. In diesem Sinne kann man sagen, dass die
Kirche Eucharistie ist.
Beide Aspekte, nämlich die Kirche als Ereignis der von Gott berufenen
"Versammlung" und die Herkunft von der Eucharistie, gehören eng zusammen.
Im Communio-Gedanken ist beides präsent, bereits vorgebildet im biblischen
und patristischen Schlüsselwort der "Koinonia".
IV.
Kirche und Eucharistie: Diese innere Verbindung wird schon sichtbar
in dem Ineinander der drei Bedeutungen von "Leib Christi": der Leib Jesu
Christi am Kreuz als Hingabe, der Leib Jesu Christi als Eucharistie, der
Leib Jesu Christi als Kirche. Zugleich gibt es eine Verbindung der Aspekte
auch in der Formel "Communio sanctorum", die einerseits die Teilhabe am
Heiligen, das heißt an den Heilsgaben von Wort und Sakrament, und
andererseits zugleich die Gemeinschaft der Glaubenden meint, also den
personalen und sakramentalen Sinn gemeinsam betont. Diese Teilhabe am
Heiligen ist nichts anders als die Teilhabe an dem durch sein Wort und
Sakrament für die Glaubenden gegenwärtigen Jesus Christus selbst, durch
den sie zur Gemeinschaft des Leibes Christi vereint werden. Gemeinschaft
der Glaubenden ist die Kirche so nur auf der Basis der Teilhabe an
demselben einen Herrn. Die innere Zusammengehörigkeit von Gemeinschaft der
Glaubenden mit Jesus Christus und Gemeinschaft der Glaubenden
untereinander kommt so am besten zur Darstellung bei der Feier des
Abendmahls. Daran hat auch Martin Luther noch in seinen Schriften aus den
Jahren 1519 bis 1524 festgehalten, besonders in den Äußerungen des Jahres
1519.
Die Teilhabe am eucharistischen Leib schließt den Zusammenhang mit dem
"Leib Christi" ein. Paulus verwendet den Ausdruck "Leib Christi" nur
einmal außerhalb der Abendmahlstradition. Grundlegend ist der Text: "Ist
der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am
Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib
Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib;
denn wir alle haben teil an dem einen Brot." (1 Kor 10,16f.) Die
Anteilgabe und Anteilhabe an Leib und Blut des Herrn betrifft die Vielen
so sehr, dass sie auch untereinander hineingenommen werden in eine neue
Einheit aller in Jesus Christus.
V.
Kirchengedanke und Gemeinschaft im Herrenmahl: Die Eucharistie
bezieht sich also nicht auf ein isoliertes Einzelsakrament neben anderen
Zeichen. Vielmehr stehen Eucharistiegemeinschaft und Kirchengedanke in
engstem Zusammenhang. Unter den Teilnehmern an der Eucharistiefeier, durch
welche diese "ein Leib und ein Geist" werden, darf nichts Trennendes
bestehen. Dieser fundamentale Bezug von Eucharistie und Kirche ist
besonders bei Paulus und in der Theologie des ersten Jahrtausends, aber
auch im Mittelalter bezeugt.
Die Gemeinde, besser: die Kirche entsteht nicht erst durch die
Initiative und den Zusammenschluss ihrer Glieder. "Leib Christi" ist nicht
das "Produkt der Gemeinschaft", sondern stellt – eine vielleicht
befremdliche, aber exegetisch offenbar zwingende Feststellung – im Blick
auf die einzelnen Glieder "die vorgegebene Tatsache" dar. Die Kirche ist
kraft seines Todes und seiner Auferstehung in ihm eins geworden.
Selbstverständlich wird diese reale Gemeinde aus ihren Gliedern gebildet.
Aber dass sie "Leib Christi" wird und zu dieser Einheit findet, ist
zuletzt allein sein Tun. Solche Gemeinschaft im Geist der selbstlosen
Hingabe des Herrn im Abendmahl und in seinem Tod setzt nach Paulus voraus,
dass überwindbare Uneinigkeit und spaltende Zwietracht überwunden worden
sind. Wie könnten die Glaubenden sonst "Leib Christi" sein oder in ihm
wahrhaft eins sein.
VI.
"Gemeinschaft der Gemeinschaften": Die Kirche als konkrete
Wirklichkeit erscheint zunächst in der konkreten Einzelgemeinde. Aber sie
darf nicht allein darin gesehen werden. Sie bekundet sich zuerst in der
konkreten "Versammlung", in der die Menschen zwar aus allen Gruppierungen
zusammenkommen (Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Griechen,
Juden, Barbaren, Männer und Frauen, vgl. Gal 3,28), aber zugleich alle zur
selben Eucharistiefeier gehören. Diese "Versammlung" realisiert nämlich
primär in der Feier des Gottesdienstes und besonders der Eucharistie (vgl.
1 Kor 10,16f.; Eph 4,15f.). Dadurch aber, dass in jeder örtlichen
gottesdienstlichen Feier, in der Jesus Christus selbst gegenwärtig ist,
die ganze weltweite Kirche präsent wird, kann sich die einzelne Gemeinde
nicht isolieren. Wo Jesus Christus ist, da ist auch die ganze,
"katholische" Kirche. Darum gehört auch die Gemeinschaft der Ortsgemeinden
untereinander wesentlich zur Integrität der einzelnen Gemeinde als Gestalt
und Erscheinungsform der einen, katholischen Kirche Jesu Christi.
So ist die Kirche eine Gemeinschaft, die aus einem Netz von Ortskirchen
besteht. Es gehört ganz wesentlich zum Begriff der Communio, dass sie in
diesem Sinne eine "Gemeinschaft der Gemeinschaften" ist, die letztlich von
der Eucharistie her mitstrukturiert ist. Dies kommt auch schon in der "ekklesia"
im paulinischen Sinn zum Vorschein, die ja in beinahe fließenden
Übergängen, aber meist doch deutlich voneinander abhebbar, die Kirche als
aktuelle Versammlung, als konkrete Einzelgemeinde und als Universalkirche
meint. Dazu gehört freilich auch, dass diese Verbundenheit untereinander
mit zum Ausdruck kommt durch die Amtsträger selbst. J. Ratzinger hat immer
wieder gezeigt, dass man in diesem Zusammenhang die eucharistische
Ekklesiologie nicht nur vom ortskirchlichen Prinzip her verstehen darf,
sondern dass auch universalkirchliche Strukturen unverzichtbar sind. Von
hier aus ist auch verständlich, warum besonders die Glaubenskongregation
in den vergangenen Jahren und bis in die jüngste Gegenwart hinein im
Gedanken der "Communio" auch den universalkirchlichen Zusammenhang sieht.
Die "Gemeinschaft der Gemeinschaften" findet ihren Ausdruck auch in der
gegenseitigen Anerkennung der sie repräsentierenden Amtsträger. Die
Gemeinschaft der Gemeinschaften beruht auch hier auf der ihnen
vorgegebenen und in der Feier des Abendmahls in besonderer Weise
gegenwärtigen Einheit in dem einen Herrn.
VII.
Das Dilemma: Aus diesem Befund ergibt sich eine schwer lösbare
Aufgabe. Die Kirche kann von sich aus nicht einfach Abendmahlsgemeinschaft
"herstellen", ohne dass sie die verlorene Einheit in ausreichender Weise
wiederfindet. Sonst entsprechen sich die Gemeinschaft im Herrenmahl und
die Kircheneinheit nicht. Dies ist aber ein so fundamentaler,
konstitutiver Zusammenhang, dass er nicht zerrissen werden darf. Die
Kirche kann im Grunde nicht ernsthaft ihre wirkliche Einheit bezeugen,
ohne dass sie diese Einheit in der gemeinsamen Eucharistiefeier zum
Ausdruck bringt. Es ist auch widersprüchlich, wenn so etwas wie
"Zwischenlösungen" angepeilt werden, die zwar im Einzelfall eine
gemeinsame Feier des Herrenmahles zulassen, aber dennoch nicht wesentlich
die verletzte Kircheneinheit wiederherstellen. Deshalb sind diese
Zwischenlösungen zunächst einmal mit fundamentalen Widersprüchen behaftet.
Man könnte sich zunächst denken, dass eine punktuelle Ausnahme im Blick
auf das Heil eines einzelnen Menschen oder auch einer Gruppe erfolgen
könnte. Eine einzelne Notlage, deren Charakter noch näher ausgelotet
werden muss, könnte der Grund für eine solche Vorwegnahme sein. Aber dies
kann eigentlich nur für die individuelle Seelsorge ein Weg sein. Im
allgemeinen gilt wohl der Grundsatz des Ökumenismus-Dekretes: "Man darf
jedoch die Gemeinschaft beim Gottesdienst (communicatio in sacris) nicht
als ein allgemein und ohne Unterscheidung gültiges Mittel zur
Wiederherstellung der Einheit der Christen ansehen. Hier sind
hauptsächlich zwei Prinzipien maßgebend: Die Bezeugung der Einheit der
Kirche und die Teilnahme an den Mitteln der Gnade. Die Bezeugung der
Einheit verbietet in den meisten Fällen die Gottesdienstgemeinschaft, die
Sorge um die Gnade empfiehlt sie indessen in manchen Fällen. Wie man sich
hier konkret zu verhalten hat, soll unter Berücksichtigung aller Umstände
in der Zeit, des Ortes und der Personen die örtliche bischöfliche
Autorität in klugem Ermessen entscheiden, soweit nicht etwas anderes von
der Bischofskonferenz nach Maßgabe ihrer eigenen Statuten oder vom Hl.
Stuhl bestimmt ist." (UR 8) Diese beiden Gesichtspunkte leiten bis heute
alle Aussagen zu unserem Thema. Es scheint mir nun aber naheliegend zu
sein, dass eine so punktuelle und unter gewissen Vorbehalten stehende
"Zulassung" für die kirchliche Struktur im ganzen, also für die soziale
Dimension der Kirche kaum eine Lösung ist, denn sie würde das Dilemma
eigentlich nur fixieren, ohne es zu lösen.
VIII.
Taufe, Eucharistie, Kirche: Gerade die Unterzeichnung des
Augsburger Rechtfertigungsdokumentes vom 31. Oktober 1999 stützt einen
Gedanken, dessen volle Tragweite für unser Thema nicht immer reflektiert
worden ist. Wenn in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre keine
eigentlich kirchentrennenden Hindernisse mehr gegeben sind, hat die
Anerkennung der Taufe unter Christen ein großes Gewicht. Da die
Tauftheologie in allen Kirchen etwas unterentwickelt erscheint, ist ihr
Gewicht in der ökumenischen Diskussion nicht genügend groß. Aber es
bedeutet doch im Blick auf die Wirklichkeit der einen Kirche ein großes
Gewicht, dass die Geschichte der Exkommunikationen, Schismen und
Häresiebezichtigungen umgriffen ist durch die Anerkennung der Taufe und
damit auch der konstitutiven Merkmale des Christseins. Die Taufe begründet
zwischen den getrennten Christen "ein sakramentales Band der Einheit" (UR
22). Hier zeigt sich deutlich, dass die getrennten Kirchen auch des
reformatorischen Typs an der Wirklichkeit der einen Kirche Jesu Christi
teilnehmen. Dies darf auch nicht durch die Einsicht verdunkelt werden, das
"die aus der Taufe hervorgehende volle Einheit mit uns fehlt" (UR 22). Es
ist damit auch schon deutlich gemacht, dass diese noch unvollendete,
unvollkommene Einheit nach vorne hin dynamisch entfaltet werden kann und
weitere Gemeinsamkeiten sichtbar werden können.
An dieser Stelle entsteht immer wieder eine Frage, die mir nicht
genügend gelöst zu sein scheint. In der katholischen Theologie fragt man
im Rahmen der Zahl der Sakramente nach einer spezifischen Wirkung der
einzelnen sakramentalen Zeichen. Ich habe den Eindruck, dass diese Frage
in der evangelischen Theologie eine relativ geringere Rolle spielt. In der
Mitte steht immer wieder das Rechtfertigungsgeschehen. Martin Luther sah
in der "Vergebung der Sünden" auch den Hauptartikel der
Glaubensbekenntnisse, von dem her hermeneutisch alles interpretiert werden
muss. Dieses Element findet selbstverständlich zunächst einmal in der
Taufe den dichtesten und angemessensten Ausdruck. Aber hat eigentlich die
Eucharistie ein eigentliches Proprium? Ich bin in vielen Abhandlungen,
besonders auch des 19. Jahrhunderts, immer wieder auf Formulierungen
gestoßen, die Sakramente, also besonders die Hauptsakramente von Taufe und
Abendmahl, seien eben letztlich verschiedene Weisen und Spielarten (diversi
modi) des einen Rechtfertigungsgeschehens. Wenn dies so ist, dann ist es
verständlicher, dass für die evangelische Partnerseite aus der Anerkennung
der Taufe ein ziemlich gerader Weg auch zur Entfaltung dieser Anerkennung
in der Eucharistie führt. Unterstützt wird dieser Gedanke meist noch
dadurch, dass man in Jesus Christus selbst den eigentlich einladenden Herr
des Mahles ("Herrenmahl") sieht, so dass die Gastgeberschaft Gottes die
Priorität behält. Sie – so argumentiert man – beschränke nicht die
universale Bedeutung der Heilsgaben Gottes, wie sie eben durch kirchliche
Vorschriften eingeengt werde. Dabei werden stets auch der universale
Charakter und die missionarische Bedeutung des Todes Jesu und damit auch
des Abendmahls betont. Ich kann allerdings aus vielen Gründen nicht sehen,
wie man gerade bei der Eucharistie zwischen Jesus Christus und der Kirche
eine solche weitgehende Trennung (nicht Unterscheidung!) durchführen kann.
Ich glaube nicht, dass das Neue Testament für das nachösterliche
Herrenmahl eine solche einsame Gastgeberrolle Jesu Christi und eine solche
grundlegende missionarische Ausrichtung der Eucharistie kennt, und dies im
Unterschied zur Taufe. Es gibt zwar den Primat Jesu Christi in allen
Sakramenten, aber nicht mit dieser Trennschärfe zwischen den sakramentalen
Zeichen und ihrem Urheber.
IX.
Die innere Ordnung zwischen Taufe und Eucharistie: Der katholische
Theologe kennt nicht nur einen "Typ" von Sakrament, der maßgebend
inhaltlich die Rechtfertigung umfasst. Es fragt sich, ob es eine eigene
Modalität der sakramentalen Wirkung der Eucharistie gibt. Manchmal gewinnt
man bei reformatorischen Theologen den Eindruck, das Abendmahl werde
weitgehend als ein rechtfertigendes Sakrament gesehen, vielleicht sogar
geringeren Grades.
Dies ist aber gerade nicht die Perspektive, in der die katholische
Theologie die Eucharistie versteht. Dabei muss man freilich auch sagen,
dass die mittelalterliche Theologie, vor allem bei Thomas von Aquin, eine
vielfache Ordnung der Sakramente untereinander kennt, die in der Neuzeit
weitgehend vergessen worden ist und uns auch heute in hohem Grad unbekannt
bleibt. Es gibt hier verschiedene Zuordnungen der Sakramente
untereinander, z.B. im Blick auf die Heilsnotwendigkeit, die
Vollkommenheit, den Intensitätsgrad usw. Dabei spielt zwischen den
Sakramenten der Taufe und der Eucharistie eine Grundidee eine wichtige
Rolle, die übrigens auch nebenbei im Ökumenismus-Dekret in bemerkenswerter
Weise vorkommt, die freilich m.E. bisher zu wenig beachtet worden ist. Es
heißt dort nämlich: "Die Taufe begründet also ein sakramentales Band der
Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind. Dennoch ist die
Taufe nur ein Anfang und Ausgangspunkt, da sie ihrem ganzen Wesen nach
hinzielt auf die Erlangung der Fülle des Lebens in Christus. Daher ist die
Taufe hingeordnet auf das vollständige Bekenntnis des Glaubens, auf die
völlige Eingliederung in die Heilsveranstaltung wie Christus sie gewollt
hat, schließlich auf die vollständige Einfügung in die eucharistische
Gemeinschaft." (UR 22) Nun muss man freilich den richtigen Begriff von der
Taufe als Anfang und Ausgangspunkt haben (UR 22: "initium et exordium").
Denn es geht ja nicht darum, dass man in der Taufe nur einen schwächlichen
Anfang sieht, sondern er ist gerade für die katholische Theologie ein
bleibender Gründungsakt christlichen Lebens, der alles durchdringt,
umfasst und trägt, was zum Heil gehört. Die Taufe ist auch nicht
Ausgangspunkt in dem Sinne, dass sie eigentlich nur eine Art von
Sprungbrett ist, das man zu anderen Vollzügen verlässt. Vielmehr ist sie
ein bleibendes Fundament, das alles begründet, unterfasst und zur
Entfaltung anspornt. Diese Aussagen bedeuten also überhaupt keine
Entwürdigung oder Geringschätzung der Taufaussagen. Im Übrigen kann man
gut zeigen, wie diese Ideen sich bereits z.B. bei Ignatius von Antiochien
finden, der etwa die Taufe als die "Pforte" bzw. die "Tür" und die
Eucharistie als Vollendung des Heils bezeichnet.
Die Ausführungen in UR 22 machen bei aller etwas formalisierten Sprache
aufmerksam auf die notwendige Entfaltung und Dynamik, die bleibend aus der
Taufe hervorgehen. Eigens angesprochen sind dabei generell die zu
erlangende und anzustrebende Fülle des Lebens in Jesus Christus, das ganze
Bekenntnis des Glaubens, die ganze Eingliederung in die von Christus
gewollte Geschichte und institutionalisierte Form des Heils
("Heilsökonomie") und schließlich die vollständige Einfügung in die
eucharistische Gemeinschaft. Eine solche Darstellung erlaubt keine
materielle Gleichsetzung der Wirkung von Taufe und Eucharistie. Es gibt
eine für das christliche Leben unübersehbare Bewegung, die den Sinn der
Taufe in die einzelnen Phasen und Vollzugsweisen christlicher Existenz
umsetzt. Dazu gehören das tiefere Eindringen in den Glauben der Kirche,
das Vertrautwerden mit den sakramentalen Heilszeichen und schließlich "die
vollständige Einführung in die eucharistische Gemeinschaft" (UR 22: "ad
integram denique in communionem eucharisticam insertionem").
Man kann diesen Gedanken wohl nur recht verstehen, wenn man die
Stellung der Eucharistie im Verhältnis zur Kirche, wie es oben dargestellt
worden ist, genauer entdeckt, aber auch die Position der Eucharistie im
Kosmos der Sakramente tiefer erkennt. Der Gedanke, dass die Taufe der
Anfang und die Tür des Heils ist, die Eucharistie aber so etwas wie die
Vollendung, hat ja mannigfache Dimensionen. Sie sind freilich manchmal bei
uns selbst zu sehr vergessen. Am deutlichsten ist mir dieser Gedanke in
der Aussage des Thomas von Aquin geworden, der freilich hier nur für die
gesamte Tradition steht, dass nämlich die Eucharistie für die Kirche so
etwas wie das spirituelle Gemeinwohl der ganzen Kirche darstellt. In ihr
ereignet sich der Gipfel und der Höhepunkt vor allem auch der
gottesdienstlichen Handlungen, wie das Zweite Vatikanische Konzil mit
seinen Reformdekreten immer wieder betont. Aber dies kann man auch nur
sagen, wenn die Eucharistie wirklich "Vollendung" ist, d.h. wenn alle
Grundvollzüge des christlichen Lebens in sie einmünden und selbst zu einer
gewissen Vollendung gebracht werden. Dies gilt nicht zuletzt auch für
Grundvollzüge des Glaubens und der Glaubensunterweisung, des Gebetes und
der Gottesdienste, der Diakonie und der caritativen Aktivitäten in der
Kirche. In der Tat tendieren sie immer wieder auf die Eucharistie hin und
werden auch von ihr her wieder genährt. Sie ist – zusammen mit der Taufe –
ein Grundsakrament.
Dies ließe sich noch vielfach vertiefen; das kann in diesem Rahmen
nicht geschehen. Ich möchte aber doch noch auf ein Element hinweisen, das
m.E. der Beachtung wert ist. Die Spanne zwischen der Taufe und der
Eucharistie mit den vielen einzelnen Dimensionen und Phasen, die sich
schließlich im Herrenmahl sammeln, hat viel zu tun mit der irdischen,
zeitlichen Existenz der Kirche und der Christen. In diesem Bogen von Taufe
und Eucharistie, der freilich immer wieder hin und her geführt werden
muss, geht es um das Umsetzen des Geschenkes des Glaubens und des Heils in
die "Zeit der Kirche" und auch in die Strukturen unserer irdischen
Existenz. Die Eucharistie hat nämlich gerade in dieser Erstreckung in die
geschichtliche Lebens- und Weltzeit hinein eine ganz besondere irdische
Note, wie sie auch durch die Symbole von Brot und Wein gegeben sind. Sie
ist das Sakrament "zwischen den Zeiten" und erstreckt sich von den
Verheißungen des Alten Bundes bis zum Hochzeitsmahl und dem Mahl der
Völker bei der Vollendung von Welt und Geschichte. Hier kommt der
Pilgerstand des kirchlichen und christlichen Lebens besonders deutlich zum
Vorschein. Von daher kann man auch sehr gut verstehen, warum die
Eucharistie "Wegzehrung" genannt wird und dass sie jeden Tag überall auf
der Welt, je an ihrem Ort und zu ihrer Zeit, gefeiert wird. Damit erklärt
sich auch das Entstehen von eucharistischen Prozessionen. Wenn wir die
Eucharistie in den letzten Jahrzehnten immer mehr als Anamnese
wiederentdeckt haben, als "memoria", Gedächtnisfeier des Todes und der
Auferstehung des Herrn, so prägt sie sich hier ebenfalls noch genauer aus
als ein signum memorativum, demonstrativum und prognosticum. Sie umfasst
selbst in äußerster Dichte die Zeitdimensionen und hebt sich schließlich
auf als Wegweiser hin zur Ewigkeit Gottes.
X.
Analoge Bezüge zum Problem von Kircheneinheit
und Eucharistiegemeinschaft: Dieses Verhältnis der Eucharistie zu den
anderen Sakramenten, zum Weg der Kirche und auch zur "Zeitlichkeit" kann
nicht ohne Folgen bleiben für das Verständnis des Herrenmahles im Bezug
zur Kircheneinheit. Die Abendmahlsgemeinschaft realisiert sich dann am
tiefsten, wenn sie aus einem umfassenden Integrationsprozess christlichen
Tuns und kirchlichen Miteinanderseins herkommt und selbst solche Einigung
wieder voranbringt. Dies hat aber auch zur Konsequenz, dass die Einheit
der Kirche durch den Vollzug der eucharistischen Gemeinschaft sich nur
dann vollgültig realisiert, wenn zugleich die anderen Bereiche des
kirchlichen Lebens positiv und fruchtbar in eine solche Einigung
eingebracht werden. Dies gilt zunächst für jede Gemeinde, die Eucharistie
feiert, in dem sie z.B. den Zusammenhang von Verkündigung, Eucharistie und
Bruderliebe vertieft. Aber es gilt noch entschiedener für die Einigung der
getrennten Christen durch das gemeinsame Abendmahl.
Gewiss gibt es auf diesem Weg zur einen Kirche relative Teilziele, ja
auch so etwas wie "Phasenverzögerungen": Nicht alles wandelt sich
gleichzeitig und konsequent auf allen Ebenen nach vorne hin. Aber die
Eucharistie hat aufgrund ihrer hochgradig verdichteten ekklesiologischen
Grundgehalte als "Mittel" in diesem integralen Einigungsprozess auch eine
außerordentlich verletzliche Stellung: Die eucharistische "Sammlung der
Zerstreuten" sollte möglichst in einem gleichzeitigen Miteinander auf dem
Weg des gemeinsamen Glaubens und Gottesdienstes, der tätigen Liebe, der
kirchlichen Ordnung und – schließlich als Ausdruck all dessen – einer
gegenseitigen Anerkennung vorankommen.
Ich glaube nicht, dass die Eucharistie selbst "Mittel" zum Zweck der
Einigung werden darf, wenn dies im Sinne einer isolierten
Instrumentalisierung verstanden würde. Allein kann sie auch kaum die
Einheit der Kirche verstärken oder gar bewirken. Aber zusammen mit dem
Gelingen und Vertiefen der anderen Lebensvollzüge kann sie selbst als
innerer Motor so etwas wie eine Mitte und auch – nun in einem neuen Sinn -
ein Mittel werden zu einer immer tieferen Einigung.
Aufgrund dieser inneren Zusammengehörigkeit kann es nach meinem
Verständnis keine "Vorwegnahme" von Abendmahlsgemeinschaft als dem
sakramentalen Zeichen der Einheit der Kirche geben, wenn dies nicht
tiefere und bleibende Konsequenzen für das Verhältnis der beteiligten
Glaubensgemeinschaften hat. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass
man sich im tiefsten Zeichen der Einheit, das der Herr uns geschenkt hat
und in dem er uns tiefer verbindet, als wir es je miteinander können,
einigt und danach wieder auseinander läuft, ohne dass sich dadurch etwas
fundamental verändert. Nehmen wir so die Stiftung und das Testament des
Herrn wirklich ernst? Diese fundamentale Entsprechung beruht auf der
zentralen Stellung der Eucharistie in Bezug auf die umfassende
Wirklichkeit der konkreten Kirche. Jetzt erst wird ein Axiom verständlich,
wie es Thomas von Aquin zum Ausdruck bringt: Das geistliche Gemeinwohl der
ganzen Kirche ist der Substanz nach im Sakrament der Eucharistie gegeben.
Eine Abendmahlslehre, die diesen fundamentalen ekklesiologischen Grundtext
nicht mehr kennt oder sich nicht wieder erarbeitet, bekommt nicht die
ganze Problematik des Themas "Gemeinschaft im Herrenmahl und
Kircheneinheit" in den Blick.
Darum hat eine wirklich gemeinsame Eucharistiefeier der Christen, sieht
man einmal von den individuellen Ausnahmesituationen ab, eigentlich immer
die Notwendigkeit in sich, dass eine Art Versöhnung stattfindet, die uns
wirklich nicht nur punktuell und momentan näher zusammenführt, sondern uns
tiefer und bleibend aneinander bindet. Nicht zufällig haben darum die
Eucharistiefeiern bei den Kirchenunionen der letzten Jahrzehnte einen
zentralen Platz.
XI.
Zur Grundaussage und den verwendeten Kategorien:
Es ist jedoch
notwendig, an die Typen von Gemeinschaft im Herrenmahl zu erinnern. Ich
will dabei nicht alle relativ einfachen Ausführungen der einschlägigen
Bestimmungen wiederholen, die eine Zulassung im Blick auf die orthodoxen
Kirchen erlauben (vgl. z.B. Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und
Normen über den Ökumenismus 1993, Nr. 122 – 128; UR 14 –18; can 844 § 3
CIC; Enzyklika "Ut unum sint", Teil II). Diese Zulassung gibt es im Blick
auf die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen nicht. Die
katholischen Gläubigen empfangen die Sakramente erlaubt nur von
katholischen Spendern (vgl. Can 844 und Can 861 § 2). "Aufgrund der
katholischen Lehre über die Sakramente und ihre Gültigkeit kann ein
Katholik unter den oben erwähnten Umständen (Nr. 130, 131) diese
Sakramente nur von einem Spender einer Kirche erbitten, in dessen Kirche
diese Sakramente gültig gespendet werden, oder von einem Spender, von dem
feststeht, dass er gemäß der katholischen Lehre über die Ordination gültig
geweiht ist." (Ök. Direktorium 1993, Nr. 132) Es handelt sich also nicht
um irgendeine Form einer wechselseitigen Zulassung oder einer offenen
Kommunion, sondern um eine einseitige Zulassung. Es mag nun aber notwendig
sein, die verwendeten Kriterien und ihre Begrifflichkeit überhaupt im
Zusammenhang zu formulieren, damit die jeweilige Einordnung leichter und
ohne Missverständnisse möglich ist.
Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates
schlägt folgende Nomenklatur vor, wobei frühere Einteilungen mit verwendet
werden (z.B. Lund 1952):
- Der Begriff "Kommunion" bezeichnet das Endziel der
ökumenischen Bewegung, die von Christen angestrebte Einheit und
Gemeinschaft, die sich in der Abendmahlsgemeinschaft äußert. Die
Verwirklichung dieses Endzieles kennt verschiedene Stufen.
- Die sog. "begrenzte Zulassung" meint die
ausnahmsweise gewährte Zulassung von Gliedern einer anderen Kirche zur
eigenen Eucharistie aus rein pastoralen Gründen.
- Die sog. "allgemeine Zulassung" bedeutet, dass alle
Getauften und zum Abendmahl in ihrer Kirche berechtigten Glieder anderer
Kirchen oder sogar "alle, die den Herrn liebhaben," eingeladen werden.
- Bei "gegenseitiger Zulassung" lassen zwei Kirchen oder
Gemeinden nach wechselseitiger Absprache die Mitglieder der anderen
Konfession generell zur eigenen Eucharistie zu. Man heißt diese Form
auch die eigentliche "Interkommunion".
- Schließlich kennt man die Konzelebration von Geistlichen
verschiedener Konfessionen bei gelegentlichen Zusammenkünften von
Gliedern ihrer Kirchen und die Interzelebration, bei der zwei
oder drei getrennte Kirchen bereit sind, wechselseitig den Amtsträgern
zu erlauben, ihren eucharistischen Gottesdienst zu leiten.
Nach dieser Kategorisierung sind die in den katholischen Dokumenten
gegebenen Regelungen eindeutig als auf den Not- und Ausnahmefall
begrenzte, einseitige Zulassung zu qualifizieren.
Freilich kann man nicht alle Formen, die vorgeschlagen worden sind, in
dieser Nomenklatur finden. Dies gilt z.B. für das sog. "Straßburger
Modell" von Bischof L.A. Elchinger (1972). Die Eucharistische
Gastfreundschaft ist mehr als "begrenzte offene Kommunion" bzw. "begrenzte
Zulassung", da sie auch die Teilnahme der eigenen Glieder an
Abendmahlsfeiern der anderen Kirche ermöglicht. Sie ist jedoch weniger als
"gegenseitige offene Kommunion" bzw. "gegenseitige Zulassung", da sie
keine offizielle Abmachung zwischen den Kirchen voraussetzt. Man hat
deshalb diese Form als "Eucharistische Gastbereitschaft" bezeichnet (engl.
und franz.: "eucharistic hospitality" "hospitalité eucharistique"). Der
Begriff der Gastfreundschaft oder der Gastbereitschaft hat jedoch gerade
auch im deutschen Sprachgebiet nochmals eine eigene Geschichte. Am 10.
Oktober 1975 hat bekanntlich die VELKD die "Pastoraltheologische
Handreichung" zur Frage der gegenseitigen Teilnahme am Herrenmahl
verabschiedet. Dort heißt es, "dass der Zugang zum Tisch des Herrn im
Grundsatz jedem getauften Christen offen steht, der im Vertrauen auf
Christi verheißendes Wort hinzutritt, da Jesus Christus selbst - durch die
Kirche – zu seinem Abendmahl einlädt. Dazu wird auch der katholische
Christ eingeladen. Der ursprünglich von der Gruppe von Dombes 1971
verwendete Begriff "Eucharistische Gastfreundschaft" wird also dazu
benützt, um vor dem Erlangen voller Kirchengemeinschaft jetzt schon
gelebte Abendmahlsgemeinschaft - wenigstens in Ausnahmefällen –
verwirklichen zu können. Das Schicksal der Straßburger Regelung zeigt
jedoch, dass die katholische Kirche in solchen Richtlinien keinen
verlässlichen Weg für die Zukunft sieht, und zwar gerade wegen der
grundlegenden Überzeugung von der engen Zusammengehörigkeit von Herrenmahl
und Kircheneinheit.
XII.
Das Gewicht der "Notlage": Wir haben schon auf die wichtige Aussage
im Ökumenismus-Dekret hingewiesen, dass es zwei Prinzipien zur Lösung der
anstehenden Fragen gibt, nämlich die Bezeugung der Einheit der Kirche und
die Teilnahme an den Mitteln der Gnade: "Die Bezeugung der Einheit
verbietet in den meisten Fällen die Gottesdienstgemeinschaft, die Sorge um
die Gnade empfiehlt sie indessen in manchen Fällen." Das Konzil selbst hat
diese Aussagen nur wenig entfaltet, dies geschah in einer Reihe von
Dokumenten vor allem in den 70er Jahren, bis das neue kirchliche
Gesetzbuch im Jahr 1983 erschien.
Eine Erweiterung der bisherigen Zulassung erfolgte vor allem über eine
Vertiefung der beiden Prinzipien aus dem Ökumenismus-Dekret, die wir eben
genannt haben. Das enge Verhältnis zwischen dem Geheimnis der Kirche und
dem Mysterium der Eucharistie darf zwar nie verdunkelt werden, jedoch ist
in Einzelfällen eine Zulassung möglich. Zuerst galten physische Notlagen,
die vor allem aus einzelnen lebensbedrohenden Bedrängnissen entstanden,
also besonders Todesgefahr, Gefängnis und Verfolgung. Besonders in der
Instruktion über einzelne Fälle zur Zulassung anderer Christen zur
Kommunion in der katholischen Kirche aus dem Jahr 1972 findet sich hier
ein bemerkenswerter Gedankengang, an dem eine wichtige Modifizierung
aufgezeigt werden kann. Hinweise gibt es freilich schon in früheren
Dokumenten. Dort geschieht etwas Entscheidendes, was nach meinem Empfinden
bis heute nicht genügend entfaltet und geklärt worden ist. Die bisherigen
Situationen vor allem physischer Bedrängnis werden geöffnet in Richtung
auch geistlicher Notlagen ("necessitas spiritualis"). Dies ist nicht
selbstverständlich und bedarf daher einer Reflexion. Dabei müsste man –
was hier nicht möglich ist – die Entwicklung genauer verfolgen vom
Ökumenismus-Dekret über das erste Ökumenische Direktorium aus dem Jahr
1967 sowie die Instruktionen der Jahre 1972 und 1973, die Ausführungen in
Can 844 des CIC bis zum zweiten "Direktorium zur Ausführung der Prinzipien
und Normen über den Ökumenismus" vom 25. März 1993 und die Enzyklika von
Papst Johannes Paul II. "Ut unum sint" aus dem Jahr 1995. Schließlich darf
auch noch auf das Apostolische Schreiben "Dies Domini" vom 31. Mai 1998
über den Sonntag und die Sonntagsgottesdienste verwiesen werden.
Bis zum Beginn der 70er Jahre war es deutlich, dass vor allem eine
Situation physischer Lebensbedrohung dazu führen konnte, eine Zulassung
zum Eucharistieempfang auch von Christen aus getrennten Kirchen
zuzulassen. Das Ökumenismus-Dekret hat hier vieles offen gelassen (vgl. UR
8). Wenn nun der Begriff einer "geistlichen Notlage" eingeführt wird, wird
eine wichtige Grenzlinie überschritten. Denn in diese Formulierung gehen
zwar durchaus auch objektive Elemente ein, wie z.B. die
Diaspora-Situation. Aber die Zulassung einer spirituellen Notlage bedeutet
zusätzlich eine gewisse Berufung auf einen inneren Notstand, vor allem des
Gewissens. Wenn man dabei strikt auf den seelsorglichen Status eines
einzelnen Menschen schaut, ist die Heranziehung eines solchen Kriteriums
sinnvoll und wohl auch notwendig. Aber es zeigt sich auch eine gewisse
Subjektivierung, die wohl unvermeidlich ist.
Die Entwicklung hat nun bald gezeigt, dass diese Umschreibung der
Notlagensituation schwer zu handhaben ist. Es werden "andere dringende
Notfälle" (vgl. Ökumenisches Direktorium 1967, Nr. 55 Abs. 1) erwähnt,
ohne dass weitere Kriterien oder Beispiele angeführt werden. Extensive
Interpretationen waren also nahe liegend. So ist es auch verständlich, dass
der Päpstliche Rat für die Förderung der Einheit der Christen sich bereits
in den Jahren 1970, 1972 und 1973 gegen Missbräuche wenden musste. Ja, es
gibt bereits aus dem Jahr 1968 eine Verlautbarung, in der es heißt: "Nicht
ausreichend ist die Tatsache, dass ein Christ, der zu einer der oben
genannten Konfessionen gehört (Anglikaner, Protestant), geistlich gut
disponiert ist und spontan bei einem katholischen Priester die Kommunion
erbittet." Es wird eigens darauf hingewiesen, dass das Direktorium die
physische Notlagensituation exemplarisch "als Beispiele drei Fälle höherer
Gewalt" (Todesgefahr, Verfolgung, Gefangenschaft) anführe. Eine weitere
Erlaubnis sei nur möglich "unter der Bedingung, dass es sich um Fälle
dringender Not handle, ähnlich den beispielsweise genannten, und für die
die gleichen Bedingungen gelten." Immer geht es um die Interpretation von
Nr. 55 des ersten Ökumenischen Direktoriums.
Es ist nun aufschlussreich, dass die Neuordnung des kirchlichen Rechts
und die Folgetexte zurückhaltender sind mit der Argumentation einer
geistlichen Notlagensituation überhaupt. Der CIC verzichtet ebenso wie das
Ökumenische Direktorium von 1993, Beispiele für die Notlagensituation zu
nennen. Freilich kann der einzelne Diözesanbischof – nach Absprache mit
den örtlichen ökumenischen Partnern (Can 844 §5) – normative
Präzisierungen vornehmen. Er kann auch ihm z.B. von Seelsorgern vorgelegte
Einzelfälle im Sinne einer Notlage entscheiden. Es bleibt aber ein
schwieriger Tatbestand, dass der Gesetzgeber in dieser Hinsicht kaum in
der Lage ist, die notwendigen Kriterien für die konkrete Praxis zu
präzisieren. Es wird daran auch deutlich, dass solche Regelungen für den
extremen Notfall nicht auf Gegenseitigkeit abgestellt sind. Es geht im
strengen Sinne um die individuelle Heilshilfe, die immer eine gewisse
Einmaligkeit mit sich bringt. Die Einschränkung auf solche Notsituationen
macht auch deutlich, dass die Zulassung solcher Nicht-Katholiken zu den
Sakramenten in der Regel deshalb untersagt ist, da die Einheit des
Glaubens bezüglich der Sakramente fehlt (vgl. Can 844 § 1). In gewisser
Weise fehlt also hier ein ekklesiologischer Gesamtrahmen, wie er im
Verhältnis zu den orientalischen, orthodoxen Kirchen gegeben ist. Bei
ihnen wird auch kein persönliches Glaubensbekenntnis verlangt. Darum wird
die Sakramentenspendung über den Fall extremer Not hinaus auch ausgedehnt
auf häufiger vorkommende Lebensumstände. Ja, sie wird in gewisser Weise
grundsätzlich empfohlen (vgl. Ökumenisches Direktorium 1993, Nr. 129). Mit
Recht schreibt W. Aymans: "Dieses Getragensein durch die eigene, von der
katholischen Einheit getrennte Kirche, zeigt an, dass hier der Rahmen
bloßer individueller Heilssorge überschritten ist; hier wird schon eine
anfanghafte Gemeinsamkeit der Kirchen als solcher in einem gewissen
Zusammenwirken ermöglicht." Dies ist auch der Grund, warum es besonders im
Verhältnis zu den reformatorischen Partnerkirchen eine solche
Gegenseitigkeit nicht geben kann.
Am Rande sei auf eine wichtige Voraussetzung in der kirchlichen Praxis
hingewiesen. Die Regelung bestimmter seelsorglicher Einzelsituationen
setzt eine gültige Disziplin und Kirchenordnung beim Sakramentenempfang
voraus. In Situationen der Diaspora, jedenfalls der Minderheit, wie z.B.
in den nordischen Ländern, aber auch in Ländern mit einer überwiegenden
katholischen Mehrheit, wie z.B. Italien und Spanien, bleiben solche
Einzelfälle weitgehend individuelle Situationen, die relativ überschaubar
bleiben und die auch, selbst wenn im Einzelfall weniger genau entschieden
wird, die kirchliche Gesamtordnung kaum stören. In unserem Land, wo die
großen Konfessionen jeweils einen etwa gleich großen Anteil an der
Gesamtbevölkerung darstellen, ist eine solche kasuistische
Einzelfall-Regelung nur sehr schwer realisierbar. Es ist auch nicht selten
mit Berufung auf diese Situation verlangt worden, die katholische Kirche
müsse wegen dieser Situation in der Bevölkerung die gegenseitige Einladung
und Zulassung zur Eucharistie praktizieren. Es scheint mir also notwendig
zu sein, genauer zu überlegen, ob diese Regelung, die grundsätzlich auf
individuelle Heilshilfen hin orientiert ist, ein geeignetes
Lösungsinstrument für unsere Situation mit ihren ganz anderen Strukturen
darstellt.
Der CIC von 1983 lässt es bei der allgemeinen Formulierung: "Wenn
Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs bzw.
der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage ("gravis necessitas")
dazu drängt, spenden katholische Spender diese Sakramente erlaubt auch den
übrigen nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche
stehenden Christen, die ein Spender der eigenen Gemeinschaft nicht
aufsuchen können und von sich aus darum bitten, sofern sie bezüglich
dieser Sakramente den katholischen Glauben bekunden und in rechter Weise
disponiert sind." (Can 844 § 4) Aus diesem Text wird auch deutlich, dass
die in den früheren Dokumenten, vor allem aus den Jahren 1970, 1972 und
1973, genannten genaueren Voraussetzungen für die Zulassung zur
Eucharistie (z.B. Unmöglichkeit, über längere Zeit hinweg sich an einen
Diener der eigenen kirchlichen Gemeinschaft wenden zu können, Bitte nach
dem Sakrament aus eigenem Antrieb, entsprechende Vorbereitung) letztlich
auf zwei Elemente zurückgeführt werden, nämlich die Übereinstimmung mit
dem Glauben der Katholischen Kirche, vor allem im Blick auf die
Eucharistie, und die gute Disposition, welche gewiss ein geistliches
Verlangen nach der Eucharistie und einen würdigen christlichen
Lebenswandel einschließt.
Bevor diese Überlegung fortgesetzt wird, bedarf es freilich einer
Zwischenbesinnung auf die ekklesiologischen Hintergründe.
XIII.
Unerledigte Differenzen in der Zuordnung von Eucharistie, Kirche und
Amt: Es ist deutlich geworden, dass hier gerade im ekklesiologischen
Grundgefüge noch erhebliche Schwierigkeiten bestehen. Es ist freilich
nicht möglich, in diesem Rahmen alle hier anstehenden Probleme auch nur zu
skizzieren. Da dies jedoch andernorts geschehen ist und die wichtigsten
Überlegungen leichter zugänglich sind, kann hier nur ein Hinweis erfolgen.
Es besteht kein Zweifel, dass die Bestimmungen über die Zulassung von
Christen, die von den reformatorischen Kirchen herkommen, deren
ekklesialen Status weitgehend ausblenden. Vielmehr sind nur die einzelnen
Christen individuell im Blick. Im Blick auf die seelsorgliche Komponente
und die Heilsfrage legt sich dies auch nahe. Der individuelle Aspekt, für
sich allein betrachtet, widerspricht aber letztlich dem
Eucharistie-Verständnis, weil zu diesem der Grundbezug zur kirchlichen
Gemeinschaft gehört. Es ist auch nicht selten darauf hingewiesen worden,
dass dadurch das Eucharistie-Verständnis zu rasch seiner sozialen und auch
leiblichen Dimension verlustig geht. Hier bleiben also theoretisch und
praktisch unübersehbare Schwierigkeiten.
XIV.
Einige exemplarische Versuche: Ohne Anspruch auf Vollständigkeit
soll versucht werden, wenigstens in einigen Umrissen die Regelungen
verschiedener Bischofskonferenzen hinsichtlich einer möglichen Zulassung
reformatorischer Christen zur katholischen Eucharistie darzulegen, die
über den Fall der Todesgefahr und vergleichbare Situationen hinausgehen
(vgl. Ökumenisches Direktorium 1993, Nr. 130).
Am wichtigsten sind dafür wohl die Spielregeln der kanadischen
Bischofskonferenz und eines Lehrschreibens der britischen und irischen
Bischöfe über die Eucharistie "Ein Brot – ein Leib". Wenn man diese Texte
durchsieht, dann gibt es im Ansatz trotz der Verschiedenheit im einzelnen
zwei Grundtypen von solchen Situationen.
Dies ist einmal ein einmaliger Anlass eines unwiederholbaren
Ereignisses (wie Taufe, Firmung, Erstkommunion, Eheschließung, Ordination,
Totenmesse), der offiziell und generell vom Diözesanbischof als "schwere
Notlage" verstanden wird. Die kanadische Regelung geht noch an einem Punkt
weiter, indem nämlich eine Zulassung im Sinne einer "schweren Notlage"
auch dann legitim erscheint, wenn manche nicht-katholische Christen Tag
und Nacht in katholischen Einrichtungen leben, wie z.B. Pflege- und
Altenheime, und ein Pfarrer der eigenen Konfession nicht regelmäßig
erreichbar ist.
Ein zweiter Kreis von solchen Situationen ist, wie zu erwarten war, die
Lage von konfessionsverschiedenen Eheleuten. Auch hier geht die kanadische
Bischofskonferenz am weitesten, indem sie das Vorliegen eines
"aufrichtigen geistlichen Bedürfnisses" als hinreichendes Kriterium der
Zulassung wertet. Die kanadische Bischofskonferenz konkretisiert diese
Aussage und schränkt sie zugleich auch ein, indem auch wichtige Jubiläen,
Beerdigungen, die großen Feste an Weihnachten und Ostern, aber auch andere
Gelegenheiten von kirchlicher oder familiärer Bedeutung einbezogen werden.
Wenn ausnahmsweise eine Brautmesse gewährt wird, kann der
nicht-katholische Ehepartner zur Eucharistie zugelassen werden, wobei die
englischen und irischen Bischöfe Wert darauf legen, dass dies nur für die
Brautleute, nicht für die Angehörigen und andere Gäste möglich ist. Ebenso
ist die Zulassung bei den oben erwähnten sakramentalen Feiern und in der
Totenmesse nur für die engsten Familienangehörigen gedacht. Das
Ökumenische Direktorium für das Südliche Afrika möchte bei einem einzelnen
spontanen Wunsch unregelmäßiger Messbesucher und bei regelmäßigen
Messteilnehmern (hier nach eingeholter Erlaubnis des Ordinarius) eine
Zulassung aussprechen. Alle Regelungen verstehen sich als Ausnahmefälle.
Es ist deutlich geworden, wie diese zusätzlichen Situationen konzipiert
sind. Sie setzen einerseits bei der konfessionsverschiedenen Ehe an,
andererseits beziehen sie sich auf besondere Anlässe eines nicht
wiederholbaren Ereignisses, meist im Leben einer Familie oder eines
Einzelnen, die als "schwere Notlage" verstanden werden. Beispiele, die
sonst auch angeführt werden, nämlich Interkommunion aus Anlass
ökumenischer Tagungen, werden zwar gelegentlich praktiziert, wohl aber
weitgehend ohne Erlaubnis. Sie scheinen mir auch strukturell etwas anderes
zu sein als die beiden erwähnten Situationstypen.
XV.
Weitergehende Forderungen: Es gibt Entwürfe, die ganz bewusst
weitergehen. Sie kritisieren die auf Not und Ausnahmefälle begrenzte
Zulassung in den kirchlichen Dokumenten und plädieren für eine Erweiterung
der bisher begrenzten Zulassungspraxis. Dabei wird immer wieder auf die
notwendige Gegenseitigkeit als eine dringende moralische und spirituelle
Forderung hingewiesen. Schließlich werden auch eine generelle gegenseitige
Zulassung und Interzelebration als "Vorstufen der Kircheneinheit"
verlangt. Dies dürfe nicht ein utopisches Fernziel bleiben, sondern müsse
schon jetzt Wirklichkeit werden. Man beruft sich dabei gerne auf eine
Aussage im sog. Malta-Dokument aus dem Jahr 1971: "Alle Schritte
der Kirchen müssen von dem ernsten Bemühen bestimmt sein, der Einheit der
Kirche näher zu kommen. ... Es gilt einen Weg sukzessiver Annäherung zu
gehen, auf dem verschiedene Stadien möglich sind. Schon jetzt ist zu
befürworten, dass die kirchlichen Autoritäten aufgrund der schon
vorhandenen Gemeinsamkeiten in Glauben und Sakrament und als Zeichen und
Antizipation der verheißenen und erhofften Einheit gelegentliche Akte der
Interkommunion (etwa bei ökumenischen Anlässen in der Mischehenseelsorge)
ermöglichen. Die Unklarheit hinsichtlich einer gemeinsamen Lehre vom Amt
bildet noch eine Schwierigkeit für wechselseitige
Interkommunionsvereinbarungen. Jedoch darf die Verwirklichung
eucharistischer Gemeinschaft nicht ausschließlich von der vollen
Anerkennung des kirchlichen Amtes abhängig gemacht werden." Man muss
allerdings daran erinnern, dass einige namhafte katholische Mitglieder
schon damals nicht unterschrieben haben (Bischof H.L. Martensen, Prof. Dr.
A. Vögtle, Prof. Dr. H. Schürmann, Prof. Dr. J.L. Witte SJ). Man sieht,
wie die entscheidenden Punkte schon sehr früh formuliert und im Grunde bis
heute nicht gelöst worden sind.
XVI.
Hindernisse: Deshalb ist es notwendig, noch genauer die
fundamentalen Einwände zu nennen, die die katholische Seite hier stets
formuliert hat. Diese Problematik zeigt sich ganz besonders in der Frage
nach den Hindernissen, die noch existieren. Diese wurden bereits im
Ökumenismus-Dekret (vgl. UR 22) genannt und beziehen sich auf
Beschränkungen im Verständnis der Ordination bzw. des Weihsakramentes und
der Eucharistie. Ich übergehe hier die Übersetzungsschwierigkeit des
Ausdrucks "defectus". Es ist in unserem jetzigen Zusammenhang nicht allein
entscheidend, ob man "defectus" mit "Mangel" oder mit "Fehlen" übersetzt.
In der Frage der Eucharistie scheinen mir die Differenzen vor allem mit
den lutherischen Kirchen nicht mehr so groß zu sein. Gewiss machen die
Aussagen zum Opfer-Charakter der Eucharistie und die Fragen nach den
konsekrierten Gaben noch einige Beschwer. Aber es gibt dazu eine ganze
Reihe von gediegenen Studien, deren Ergebnisse freilich der Rezeption
harren. Im Grunde glaube ich dies auch von der Amtsfrage. Aber hier ist es
nicht nur und nicht zuerst eine Frage akzeptabler und plausibler
Konsens-Formulierungen, sondern hier bedarf es letztlich einer
grundlegenden Entscheidung. Die deutsche Theologie muss sich hier
allerdings auf andere Gesprächsergebnisse öffnen. Das sog. "Poorvoo-Dokument"
zwischen den skandinavischen lutherischen Kirchen und den Anglikanern
kommt hinzu, sodass insgesamt wenigstens eine Richtung vorgespurt ist.
Aber dies braucht einen ganz neuen Aufbruch. Wenigstens in unserem Land
haben wir uns viele Jahre jetzt intensiv mit der Rechtfertigungs-Thematik
befasst. Wir sind, so scheint mir, im Gespräch über die Sakramente und die
Ämter hier eher etwas vom internationalen Standard abgeschnitten. In
diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, dass die Themenfelder
"Sakramente" und "Amt" im Projekt "Lehrverurteilungen" bereits bearbeitet
worden sind.
Dennoch entscheidet sich die Thematik nicht allein an den spezielleren
Fragen des Amtes. In der Mitte steckt gewiss die Frage nach der
Amtsstruktur im ganzen. Wenn ich also durchaus zuversichtlich bin im Blick
auf weite Teile einer Theorie des geistlichen Amtes – es braucht freilich
noch viel Bewegung –, dann ist es schwieriger mit der Einordnung des Amtes
in die Kirche. Es ist die Frage, wie weit das Amt zu den konstitutiven
Elementen und Kriterien für das Kirchesein und zur Einheit der Kirche
gehört. Auch diese Frage ist längere Zeit nicht mehr intensiv im
gemeinsamen Dialog erörtert worden. Die lutherischen Überlegungen in
Deutschland laufen stark darauf hinaus, das Modell der "versöhnten
Verschiedenheit" zu begünstigen. Dieses Modell hat gewiss den Vorteil,
dass es grundlegend vom Muster "Einheit" ausgeht und von der Überzeugung
geprägt ist, dass innerhalb der einen Kirche die Gemeinsamkeiten vor allem
auf zwei Grundpfeiler beschränkt werden können, wie sie im Bekenntnis von
Augsburg (1530) in den Artikeln VII und VIII formuliert ist, nämlich die
Predigt des unverfälschten Evangeliums und die rechte Spendung der
Sakramente. Das Amt ist hier nicht genannt. Dies hängt mit dem kritischen
Ansatz des reformatorischen Bekenntnisses zusammen. In der Erforschung der
Confessio Augustana zum 450jährigen Jubiläum im Jahr 1980 ist jedoch
deutlich geworden, dass diese Aussagen des Augsburgischen Bekenntnisses
und andere Artikel, ganz besonders Art. 28, das Amt voraussetzen oder es
implizit vor sich haben. Darum wäre es wohl historisch und systematisch
nicht Ausdruck eines genuinen Lutherischen Bekenntnisses, wenn man hier
jeden Bezug zum Amt einfach auslöscht und streicht.
Vor diesem Hintergrund hat der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer
und katholischer Theologen seinen eigenen Beitrag zum CA-Jubiläum
geleistet und gerade an dieser Stelle einen Vermittlungsvorschlag gemacht,
der allerdings bis jetzt wenig aufgegriffen worden ist. Dies gilt für
beide Seiten. Der neue Konsens könnte darin bestehen, dass man die Fragen
nach den amtlichen Strukturen durchaus für das Wesen von Kirche als
wichtig ansieht. Aber das Amt wäre nicht auf derselben Ebene anzusiedeln
wie die beiden genannten Grundfunktionen, sondern wäre auf einer gleichsam
zweiten Ebene den beiden fundamentalen Vollzugsweisen von Kirche "dienend
hingeordnet". Dann wäre es freilich nicht mehr eine relativ neutrale
Größe, sondern durchaus auch inhaltlich zu umschreiben. Es würde also
nicht genügen zu sagen, man müsse sich zwar im "Dass", nicht aber im
genaueren "Was" der Entfaltung des Amtes einig sein.
Ich bin der Meinung, dass das Konzept "Einheit in versöhnter
Verschiedenheit" zwar einige Vorteile hat, weil so auch die kirchlichen
Traditionen in der einen Kirche als legitim angesehen werden können, dass
aber zugleich die Anforderung der "Einheit" hier darunter leidet, dass die
vielförmigen Zielvorstellungen relativ weit auseinander laufen können,
sodass die Einheit ihre konkrete Bestimmtheit und Unteilbarkeit verliert.
Der Titel "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" klingt immer gut
angesichts dessen, was man in seiner Verschiedenheit leben lassen kann und
gewähren muss und dennoch echte Einheit anfordert, damit nicht nur
Beliebigkeit entsteht. Wenn man jedoch auf das Problem des kirchlichen
Amtes schaut, dann ist "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" für die
katholische Kirche nur ein Modell, wenn die Frage nach dem Amt wenigstens
in der erwähnten Weise als dienende Zuordnung zu den Grundfunktionen der
Evangelienverkündigung und der Sakramentenspendung erscheint. Ein reines
Ausklammern, weil man die genauere Ämterstruktur überhaupt weitgehend für
theologisch indifferent erklärt, wäre mit einem katholischen, aber auch
orthodoxen Verständnis wohl nicht vereinbar.
Ähnlich ist es auch mit dem Begriff der "Kirchengemeinschaft", der ab
1950 bis in die Mitte der 70er Jahre geprägt und ausgestaltet wird. Für
mich ist dies ein ambivalenter Begriff. Einerseits ist er sehr hilfreich,
weil er von evangelischer Seite aus an die klassischen Überlegungen zur
Communio-Struktur der Kirche anknüpft und hier in der Tat manches
wiedergewinnt; auf der anderen Seite huldigt der Begriff der eben
erwähnten Tendenz, die konfessionellen Strukturen und Identitäten zu
fixieren, so dass nur schwerlich eine umgreifende Übereinstimmung gefunden
werden kann. Die verschiedenen Gestalten des Zeugnisses, der Lehre und des
Bekenntnisses werden legitimiert, findet aber auch eine ähnliche Bemühung
statt um den notwendigen Konsens, die Einheit? In diesem Sinne sind die
Begriffe "Versöhnte Verschiedenheit" und "Kirchengemeinschaft" auch recht
zweideutige Modellbegriffe, die – geht man ihnen auf den Grund – auch sehr
nach einer fixierten Endgestalt aussehen, die eher blockieren als
weiterführen. Sie sind in gewisser Weise auf den Begriff gebrachte
Aporien.
Es gibt noch viele Fragen, die geklärt werden müssen. Dies kann aber
nur in einer zielorientierten, längerfristigen, uneingeschränkt
wissenschaftlichen Weise geschehen, die uns – ähnlich wie bei der Mühe um
die Rechtfertigungsthematik – nur unter äußerstem Einsatz aller Kräfte
gelingen kann. Wir müssen dabei sehr fundamental ansetzen. Ich möchte nur
zwei Probleme nennen. Einmal geht es um die Frage, wie weit Jesus Christus
als Herr des Abendmahles der Kirche mit ihren Regelungen zur
Abendmahlsordnung einfach entgegengestellt wird. Die Mahlzeiten des
vorösterlichen Jesus werden m.E. hier oft verzerrt verwendet. Die
nachösterliche Eucharistie knüpft zwar an diese Mahlsituationen des
irdischen Jesus an, kann aber nicht einfach nur von ihnen her erklärt
werden. Gerade die Eucharistie ist auch das testamentarische Erbe, das der
Herr seiner Kirche anvertraut hat. Der erhöhte Jesus Christus ist auch in
einer anderen Position, ohne dass er deswegen den kritischen Primat über
die Kirche verlieren muss. Es ist kein guter Weg, die
Interkommunion-Problematik durch einen solchen künstlichen Rückgriff auf
die absolute Souveränität des auferstandenen und erhöhten Herrn als
unsichtbaren Gastgeber klären zu wollen. Nur allzu leicht projiziert man
in ihn hinein, was man selbst gerne so haben möchte.
Ähnlich ergeht es einem immer wieder mit der Behauptung, dass dieser
Mahlherr im Blick auf die Einzuladenden keine Kriterien habe. Alle seien
eingeladen. Die Eucharistie erscheint als das vornehmste Instrument der
Mission. Hier gibt es auch zwischen den einzelnen theologischen Entwürfen
erhebliche Unterschiede, z.B. zwischen W. Pannenberg, E. Jüngel und J.
Moltmann. Nach meiner Erkenntnis kann man aber nicht daran zweifeln, dass
Jesus die Jünger als die Hauptadressaten des Abendmahles verstanden hat.
Dies schließt nicht aus, dass auch Sünder und Verräter unter ihnen waren.
Aber sie sind nicht als solche eingeladen worden. Und Vergebung sowie
Versöhnung gibt es bei Jesus immer nur dann, wenn der Beschenkte weiß und
ernst macht damit, dass er umkehren und neu anfangen muss. Es gibt hier
nicht selten eine Mystik und Romantik des Sünders, die nicht
evangeliumsgemäß sind. Schon gar nicht im Herzen der Eucharistie. Auch
darüber muss gesprochen werden. Mir scheint es nicht immer übereinstimmend
zu sein mit der Gemeinsamen Erklärung über die Rechtfertigung vom 31.
Oktober 1999.
XVII.
Fazit: Wie soll man weiterkommen? Was können wir vorschlagen? Was
können wir leisten?
- In der konkreten seelsorglichen Praxis wird man immer wieder auf
einzelne Situationen stoßen, die man im Sinne der kirchlichen Bestimmungen
angehen und auch beantworten kann. Hier gibt es gewiss die Möglichkeit
einer seelsorglichen Einzelhilfe für das Individuum, die in vielen
Situationen auch weiterführen kann.
- Es scheint mir jedoch nicht möglich zu
sein, auf breiter Ebene und in hoher Zahl das Problem der Zulassung zur
Eucharistie ausschließlich mit den individuellen Heilshilfen zu lösen. Es
hat wohl auch wenig Sinn, das gesamte Problem in der ganzen Bandbreite nur
mit Maßnahmen der individuellen Pastoral einer Lösung entgegenzuführen.
Bei der unterschiedlichen Bewertung der einzelnen Situationen ist dies
nicht nur ein Zeitproblem für die Seelsorger, sondern auch eine Frage der
Gerechtigkeit, ob denn die einzelnen Beratenden gleich behandelt
werden.
- Wir finden wohl kaum in hinreichend klarer Form weitere Kriterien,
die das Vorliegen einer "schweren Notlage" klären helfen können. Ein
weiteres Suchen nach Lösungen könnte in die Irre leiten. Eine Ausnahme
stellt die Situation der konfessionsverschiedenen Ehen dar, die einer
erneuten Überprüfung bedarf.
- Aufgrund der dargestellten Situation kann ich
nur davor warnen, einen gewissen Gleichklang und ein Miteinander von
Kircheneinheit und Gemeinschaft im Herrenmahl aufzulösen und gleichsam zu
zerstückeln. Ich kann hier keine Lösung sehen. Dies mag etwas hart
klingen. Das gemeinsame Mahl gehört an das Ende und nicht an den Anfang
ökumenischer Bestrebungen. "Gerade weil das Mahl unüberbietbarer Ausdruck
des gemeinsamen Heils ist, kann man nicht sonntags Mahl feiern und
Montagmorgen mit getrenntem Religionsunterricht fortfahren. Missachten wir
das Mahl nicht, streben wir alle danach, dass es wirklich ehrlich als das
eine Mahl gefeiert wird."
- Dies mag enttäuschend klingen. Aber eigentlich
nur so lange, bis wir voll entdecken, wie viel wir ökumenisch schon jetzt
gemeinsam tun können, und zwar ohne jeden Aufschub. Deswegen ist es ein
gutes Zeichen, wenn wir im Jahr 2003 zugleich wiederum ein Jahr der Bibel
gemeinsam begehen. Dies ist vordringlich. Und dies können wir tun, sogar
mit großem Segen, auch wenn wir im Jahr 2003 noch keine gemeinsame
Eucharistiefeier haben. Es gibt so vieles, was wir sofort gemeinsam
anpacken können. Niemand hindert uns. Es wäre der beste Beitrag zu einer
baldigen gemeinsamen Abendmahlsfeier. Wir sollten nichts enthusiastisch
überspringen.
- Ich kann mir letztlich nur vorstellen, dass die Theologie mit
allen Kräften die aufgezeigten und alle anderen Themen mit großer Energie
aufgreift und voranbringt. Es gibt keinen anderen Weg, weder den Weg eines
Pragmatismus noch amtliche Autorität allein. Was wir beim Projekt
"Verwerfungen" in den Jahren 1980 bis 1986 und danach unternommen haben,
können wir nun auch noch im Blick auf die Fragen vor allem der Kirche und
des Amtes weiter nach vorne bringen. Wir haben auch unsere Erfahrungen
gemacht, dass dies noch besser gelingen kann.
- Die Trennung der Kirche ist
vor dem Gebot des Herrn nach Einheit ein bleibender Skandal. Die vielen
bekenntnisverschiedenen Ehen mahnen uns, dass wir eine noch entschiedenere
Suche nach Gemeinsamkeit nicht verzögern. Der Herr ist ungeduldig mit uns,
aber er verlangt auch eine sorgfältige Arbeit, die sich nicht beirren
lässt. Es gibt viele Motoren, die uns bei dieser Arbeit in Schwung bringen
und im Schwung belassen können.
XVIII.
Gemeinsam dem Herrn näherkommen: Es gibt eine Ökumene, die ich
nicht fördern möchte. Es ist die Gemeinsamkeit auf dem kleinsten und
geringsten Nenner. Unter solchen Voraussetzungen können wir nur alle
gemeinsam ärmer werden. Dies ist gerade bei der Eucharistie als dem
Lebensgeheimnis des Herrn nicht erlaubt. Hier müssen wir gemeinsam, indem
wir aufeinander zugehen, auch nach vorne noch viel mehr in das
eucharistische Geheimnis Jesu Christi hineinwachsen. Wir haben mindestens
in unserer Kirche bei allen guten Errungenschaften seit der Frühkommunion
und der häufigen Kommunion einen Zustand erreicht, den wir nicht durch
eine falsche Gemeinsamkeit anerkennen und sanktionieren dürfen. Es geht
darum, dass wir alle den Leib des Herrn von gewöhnlicher Speise
unterscheiden. Wenn wir gemeinsam zum Tisch des Herrn gehen wollen, müssen
wir auch zuvor jeweils eigen und gemeinsam die eucharistische Praxis in
unseren Kirchen grundlegend verbessern. Sonst könnten wir uns gemeinsam am
Herrn versündigen. Deshalb ist die Ökumene am Thema "Herrenmahl" in
besonderer Weise herausgefordert. Mit dieser Reform können wir sofort in
unseren Kirchen beginnen. Niemand hindert uns daran. Im Gegenteil, der
Gottesgeist wird unser gemeinsames Bemühen segnen.
(Quellennachweis: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz)