Der Wert des Sonntags
Was wird aus dem Sonntagsgottesdienst, wenn kaum einer mehr hingeht? Wo bleibt die Eucharistiefeier, wenn es
mehr und mehr an Priestern mangelt? Worum geht es eigentlich bei der Feier der heiligen Messe, was steht bei
ihrer Nichtfeier auf dem Spiel? Hier wird eine Besinnung auf das vorgelegt, was für die Existenz der Gemeinde
lebensnotwendig ist und was in der sich verschärfenden gegenwärtigen Situation wirklich weiterführen kann.
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Die Beiträge wurden, mit freundlicher
Genehmigung des Verlags, der folgenden Druckschrift entnommen:
F. Kamphaus, Tut dies zu meinem Gedächtnis, Verlag Herder Freiburg, 1999, ISBN 3-451-26865-5 |
Warum Christen der Sonntag heilig ist
Gedanken von Franz Kamphaus, Bischof von Limburg
Wie gehen wir mit
unserer Zeit um? Viele stehen unter dem Diktat ihres Terminkalenders. Sie nehmen nur noch Termine wahr, und
außer Terminen nehmen sie fast nichts und niemanden mehr wahr. Da sind Unterbrechungen lebensnotwendig, um
Freiraum zu schaffen und den eigenen Standort zu klären. Der christliche Sonntag steht in der Tradition des
jüdischen Sabbats für die Freiheit des Menschen von Gottes Gnaden. |
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Nicht nur die Zeiten ändern sich, auch das
Zeitverständnis. Unbemerkt ist aus dem Sonntag als dem ersten Tag der Woche das "Wochenende"
geworden. Wir sagen in der Regel nicht mehr: "Ich wünsche Dir einen guten Sonntag." Wir sagen:
"... ein schönes Wochenende."
Sie denken vielleicht: "Das ist doch ganz egal, Sonntag oder Wochenende.
Hauptsache, ich hab' einen freien Tag." Ob das wirklich so gleichgültig ist? Der Unterschied ist größer,
als mancher meint.
Das Vorzeichen
Der Sonntag bedeutet: Die Woche beginnt mit dem freien Tag, nicht mit der Arbeit. Längst
bevor wir etwas leisten, leben wir schon. Das Wichtigste im Leben können wir nicht selbst machen oder
verdienen, es ist uns geschenkt. Das Leben selbst ist uns geschenkt. Wir verdanken uns Gott, wir sind von ihm
bejaht. Dafür steht Jesus Christus. Er verbürgt uns Leben über den Tod hinaus. Der Sonntag ist der Tag seiner Auferstehung. Christus ist die Sonne
dieses Tages.
Darum ist der Sonntag den Christen heilig. Er ist nicht
irgendein freier Tag, den man nach Belieben in der Woche herumschieben kann. Er steht am Anfang, vor allen
anderen Tagen. Er ist ein Vorzeichen vor dem Ganzen. Er ist eine Vorgabe Gottes, die dem Leben Richtung gibt:
Im Zeichen der Auferstehung geht der Weg vom Tod zum Leben.
Anders das Wochenende. Da sind wir am Ende. Wir ruhen
uns aus und sammeln neue Kräfte, um fit zu bleiben. Wir entspannen uns, um den alltäglichen Spannungen
gewachsen zu sein. Gut und schön. Aber: Hat der freie Tag lediglich eine Entlastungsfunktion? Dann stünde er
ja letztendlich im Dienst der Arbeit, er wäre in das Arbeitssystem eingepasst: Um betriebsfähig zu bleiben,
erholen wir uns. Wir leben, um zu arbeiten. Dann dreht sich am Ende alles um die Arbeit, und das Wochenende
wird der Arbeit und den Wirtschaftsinteressen untergeordnet.
Nein, sagt uns der Sonntag. Der "Tag des Herrn" steht an erster Stelle. Er
ist der Schlüssel zum Leben. Wir leben nicht, um zu arbeiten, sondern wir arbeiten, um zu leben. Das ist ein
Riesenunterschied. Viele glauben, dass die Welt zusammenbricht, wenn sie einmal nichts tun. Man spricht von
"Workaholics". Sie sind süchtig nach Arbeit, sie arbeiten wie besessen. Der Drang zum Besitz und die
oft unbewusste Angst vor sich selbst hat sie ergriffen, so dass sie sich selbst nicht mehr im Griff haben. Der
Sonntag ist da eine geradezu therapeutische Unterbrechung. Er will uns an die Leichtigkeit und Gelassenheit
dessen erinnern, der sich von Gott bejaht weiß. Er ist befreit, er kann aufatmen. Diese von Gott geschenkte
Freiheit zum Leben ist für den Christen 'Thema eins'. In einer Gesellschaft, in der Arbeit fast alles ist und
den Sinn der eigenen Existenz bringen soll, durchkreuzt der Sonntag die Fiktion vom selbstgemachten Sinn. Wir können
und brauchen uns nicht selbst zu legitimieren. Das hat Gott längst besorgt, durch seinen Sohn Jesus Christus.
Dafür steht der Sonntag. Er ist sein Tag, der Tag des Herrn.
Der Sabbat
Weist nicht der jüdische Sabbat in eine andere Richtung? Er steht doch als siebter
Tag nach dem göttlichen Sechstagewerk, am Ende der großen Schöpfungswoche (vgl. Gen 1-2,3). Aber eben nicht
als unser Wochenende, sondern als Vorschein der Vollendung. Der Sabbat Gottes krönt und vollendet die Schöpfung.
Licht und Nacht, Höhen und Tiefen, Wasser und Land, Gestirn und Gestein, Zellen und Pflanzen, Tier und Mensch
werden umfangen vom Sabbat Gottes, seinem großen Fest. Die Schöpfungserzählung sagt uns ganz einfach: Der
Sabbat ist "Spitze". Was ist, ist
auf ihn ausgerichtet. Die ganze Menschheit, ja alle Geschöpfe sind zu diesem Fest Gottes eingeladen. Wir müssen
uns nicht fremden oder selbstauferlegten Zwecken beugen. Wir haben letztlich keinen menschlichen Zwecken zu
dienen. Wir sind frei, um uns aufrechten Ganges mit allen anderen Geschöpfen zum Sabbat Gottes aufzumachen.
Der so verstandene Sabbat ist das große Geschenk Israels an die Menschheit.
Freizeit
Der Sonntag ist nicht nur durch die Sonntagsarbeit in Gefahr, sondern auch durch die
Freizeitindustrie, die auf unseren Konsum aus ist und uns gefangen nimmt. Die Sozialforschung zeigt, dass die
Freizeit viele Menschen besonders stresst, mehr als die Arbeit. Sie sind froh, wenn sie ihrem geregelten Dienst
nachgehen können im alltäglichen Trott. Mit der vermehrten Freizeit wissen sie wenig anzufangen. "Der größte
Teil des amerikanischen Lebens besteht darin, dass man irgendwohin fährt und wieder zurück und sich fragt,
warum zum Teufel man eigentlich gefahren ist", beschreibt der Schriftsteller J. Updike die ziellose
Auto-Mobilität freizeitgestresster Zeitgenossen.
Ob wir in der Lage sind, eine neue Sonntagskultur zu entwickeln? Christen müssten da
erfinderisch sein. Sie kommen ja vom Sonntag her. 'Freizeit' ist nur dann das, was das Wort besagt, wenn sie
uns nicht nur die Freiheit von der Arbeit schenkt, sondern auch die Freiheit, in sich zu gehen und zu sich
selbst zu kommen. Dann können wir Freiheit ganz neu erfahren: als Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln
und uns mit den Augen Jesu zu sehen, aus seiner Sicht leben zu lernen.
Das kirchliche Sonntagsgebot will dieser Freiheit dienen. Man kann den
Sonntagsgottesdienst nicht dem Zufall überlassen. Kostbares ist in der Regel leicht zerbrechlich, es bedarf
eines besonderen Schutzes - wie das Leben, wie die Liebe. Die kann ich nicht von Lust und Laune abhängig
machen. Nicht jeder Kuss ist der Kuss des Hochzeitstages. Aber wenn er einfach unterbliebe, weil man nicht mehr
in Hochstimmung ist? Wenn die Liebe zur Beliebigkeit verkommt, dann ist's aus mit ihr. So auch mit der Liebe zu
Gott, mit der Einübung in den Blick Jesu, zu der uns der Sonntagsgottesdienst einlädt.
In der Christenheit hat sich im Laufe der Jahrhunderte viel geändert. Eins ist von
Anfang an geblieben: Die Feier des Sonntags als des ersten Tages der Woche. "Wir können nicht leben, ohne
den Herrentag zu feiern", sagt ein Wort aus den Anfängen der Kirche. Mit dem Wochenende sind wir bald am
Ende, davon können wir nicht leben. Der Sonntag hat's in sich, er ist ein Schlüssel zum Leben.
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Sonntagsgottesdienst im Zeichen des
Priestermangels
Gedanken von Franz Kamphaus, Bischof von Limburg
Der Sonntag lebt von frühchristlichen Zeiten an von
der Eucharistiefeier. Die ist an das Priesteramt gebunden. Was ist zu sagen und zu tun, wenn zu wenig
Priester da sind und darum die Eucharistie am Sonntag nicht gefeiert werden kann?
Unersetzlich
"Wir können nicht leben, ohne den Tag des Herrn zu feiern." Dieses Wort
aus den Anfängen der Kirche macht deutlich: Wir leben als Christen nicht von der Luft und nicht aus uns
selbst, sondern von Jesus Christus. Ihm wissen wir uns verpflichtet als unserem Bruder und Herrn. Wir
versammeln uns Sonntag für Sonntag, um in Treue zu seinem Vermächtnis und Auftrag seinen Tod zu verkünden
und seine Auferstehung zu preisen, bis er kommt in Herrlichkeit.
Die Eucharistie ist für den Sonntag grundlegend. "Herrentag" und
"Herrenmahl" gehören zusammen. Christus ruft uns an Seinem Tag an Seinen Tisch als Seine
Gemeinde: "Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi"
(Augustinus). Die Kirche als Leib Christi lebt vom Leib Christi der Eucharistie. Darum gibt es zur
Eucharistiefeier keine Alternative, sie ist durch nichts zu ersetzen. In ihr findet die Kirche ihren
Ursprung und kommt zu sich selbst. Der Sonntag ist zugleich die Antwort der Gemeinde auf das, was Christus
an uns getan hat und tut. Dass wir Eucharistie feiern können, hat ihn das Leben gekostet. Was lassen wir
sie uns kosten? Wer dem Gottesdienst am "Herrentag" fernbleibt, bleibt Christus diese Antwort
schuldig und entzieht sich der Gemeinde. Das ist keine Bagatelle.
Mangel an Priestern
Die Kirche ist ihrem Wesen nach Eucharistie. Schon jetzt aber ist es für viele
Gemeinden nicht mehr möglich, sie jeden Sonntag zu feiern. Das ist nicht irgendein Problem neben anderen,
hier geht es an den Nerv. Wenn die Eucharistie nicht mehr jeden Sonntag gefeiert werden kann, ist das ein
akuter kirchlicher Notstand.
Wir haben zu wenig Priester. Dieser Mangel trifft uns am spürbarsten dort, wo wir
am tiefsten katholische Gemeinde sind: in der Feier der Eucharistie. Ich habe mich in all den Jahren nach Kräften
bemüht, den Priesternachwuchs zu fördern. Ich danke allen, die in den Gemeinden zu einem Klima beitragen, in dem Berufungen wachsen können. Gleichwohl
geht die Zahl der Priester von Jahr zu Jahr zurück. Das bedrückt mich und macht mich oft ratlos. Die frei
gewählte Ehelosigkeit von Ordensleuten und Weltpriestern ist ein hohes Gut und wichtiges Zeichen. Ohne
Menschen, die um Gottes Willen ehelos leben, kann ich mir die Kirche nicht denken. Nun ist die Feier der
Eucharistie an das Amt gebunden. Das ist gut so und unaufgebbar. Aber genau an dieser Stelle muss ich darum
abwägen: Was ist wichtiger, dass Gemeinden Eucharistie feiern können, oder dass alle Priester zum Zölibat
verpflichtet werden? Auch im Blick auf die Geschichte der Kirche komme ich zu dem Schluss, dass die
Eucharistie nicht den Zugangswegen zum Priestertum geopfert werden darf, Sie ist vorrangig. Wir dürfen auch
nicht dahin kommen, dass der einzelne Priester für immer mehr Messen verantwortlich ist. Die
Eucharistiefeier muss für ihn ein Höhepunkt bleiben. Einmaliges kann er nicht beliebig oft vollziehen. Drängt
man ihn dazu, dann wird das "Aller-Heiligste" nur allzu schnell in Zeitdruck und Routine
untergehen.
Wir dienen dem besonderen Wert der Eucharistiefeier nicht, wenn wir sie
vervielfachen. Seit der Mitte unseres Jahrhunderts ist es mit der Einführung der Vorabendmesse und den
vielen "Sondergottesdiensten" üblich geworden, möglichst allen Wünschen entgegenzukommen. Ob
diese Angebotsmentalität gut ist? Die Sonntagsmesse ist kein Service, der sich nach den Wünschen
bestimmter Zielgruppen zu richten hat. Die Gemeinschaft der Kirche nimmt uns in Pflicht. Darum sollte die
eine Eucharistie in der Gemeinde möglichst nicht in viele Messen aufgesplittert werden. Dann erkennt man
nicht mehr deutlich, dass es um den einen Leib Christi geht. Eine gemeinsame Eucharistiefeier in
jeder Gemeinde - das entspricht der theologischen Erkenntnis und der christlichen Tradition. Es ist dringend
notwendig, die Zahl der Gottesdienste zu überprüfen; weniger kann oft mehr sein. Auch hier ist überpfarrliche
Kooperation das Gebot der Stunde und ein Zeichen solidarischer Verantwortung.
"Einfliegen?"
Wie oft habe ich das bei der Visitation erlebt: Das Gespräch mit den Pfarrgremien
läuft auf die Frage hinaus: "Bekommen wir noch einen eigenen Pfarrer wieder?" "Es tut mir
Leid", antworte ich, "das kann ich Ihnen nicht versprechen." Große Betroffenheit! "Dann
machen wir's selbst", sagt jemand.
Ich freue mich über die Reaktion. Ich denke: Die Leute haben verstanden, worum es geht. Sie wissen, dass
sie selbst Kirche sind. - Das Gespräch geht weiter: "Uns ist ein Wortgottesdienst lieber als eine
Messe mit einem eingeflogenen Priester." Ich stutze. Das Wort zu Anfang geht mir wieder durch den Kopf:
"Dann machen wir's selbst." Was ist, frage ich
mich, wenn aus der erfreulichen Selbstständigkeit eine Verselbstständigung wird? Gemeinde als
Selbstversorger: "Das machen wir schon ..." Was machen wir denn? Die Gemeinde verdankt sich nicht
sich selbst. Sie handelt nicht auf eigene Rechnung, sondern im Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes. Damit das lebendig bleibt, feiern wir die Sakramente, darum gibt es das Amt und vor allem
die Eucharistie.
Ich will nicht verkennen, dass man sich vielerorts redlich bemüht, Vertretungen zu
bekommen. Das Herumtelefonieren hat Grenzen. Andererseits stelle ich zunehmend fest, dass Gemeinden sich
abschotten. Da gilt es schon als "Einfliegen", wenn ein Bezirksvikar seinen Dienst für die
Osternacht anbietet. Gilt er als Fremder? Will man den Priester nicht? Ist es möglich, dass Aushilfe und
Austausch im eigenen Bistum abgelehnt werden? Schnell kann das berechtigte Selbstbewusstsein der Gemeinde zu
einer Gemeindeideologie führen, die schließlich nicht mehr katholisch ist. Es gehört zur
Grundvoraussetzung einer katholischen Gemeinde, dass sie Kirche ist, also in Gemeinschaft steht mit der
Bistumskirche und der durch Rom verkörperten Weltkirche. Die Eucharistiefeier ist das Band der Einheit, sie
ist die Feier der Kirche. "Darum kommen wir vor dein Angesicht und feiern in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche den ersten Tag der
Woche ..." (2. und 3. Hochgebet). Unter uns leben viele Christen aus anderen Nationen. In Frankfurt
spricht jeder dritte Katholik eine andere Muttersprache. Ist es da eine Zumutung, wenn auch Priester aus
diesen Ländern bei uns Dienst tun? Ich weiß, dass wir auf diesem Weg das Problem des Priestermangels nicht
lösen werden. Aber wir haben die Chance, weniger provinziell und mehr Weltkirche zu werden.
Wort-Gottes-Feier
Trotz allem guten Willen und allem gemeinsamen Planen und Aushelfen werden immer öfter
Gemeinden am Sonntag ohne Eucharistiefeier sein. Was dann? Die Kirche darf nicht geschlossen bleiben. Es wäre
fatal, wenn der Gottesdienst ausfiele, weil kein Priester da ist. Die Gemeinde soll sich auf jeden Fall
versammeln, um Gottes Wort zu hören und sich singend und betend im Glauben zu stärken. Die Heilige Schrift
ermuntert uns dazu: "Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt
einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist
eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade" (Kol 3,16). Ein solche "Wort-Gottes-Feier" ist keine
Privatsache, sie ist Gottesdienst der Kirche, zu deren Leitung Frauen und Männer vom Bischof beauftragt
werden. Wer sie mitfeiert, entspricht dem Sinn der Sonntagspflicht.
Allerdings: Eine Wort-Gottes-Feier am Sonntag anstelle der Eucharistie ist und
bleibt ein Handeln aus der Not heraus. Wir dürfen aus der Not keine Tugend machen, als sei sie die
Lösung der Zukunft. Dann wird sehr schnell der Notfall zum Normalfall. Am Ende erübrigt sich die
Eucharistiefeier - und wir wären nicht mehr katholisch! Die Zukunft der Kirche liegt sicher nicht darin,
dass Eucharistiefeier und Priesteramt immer mehr aus dem Blick geraten. Man kann sie nicht durch anderes
austauschen. Aus theologischen Gründen geht es nicht an, dort, wo am Sonntag (oder am Vorabend) die
Eucharistie gefeiert wird, dauerhaft eine Wort-Gottes-Feier einzurichten anstelle einer zweiten Messe. Zur
Eucharistiefeier gibt es keine Alternative. Es ist nicht so, als könne man zwischen zwei gleichwertigen Möglichkeiten
wählen. Das muss spürbar bleiben. Eine Wort-Gottes-Feier soll nur dort an die Stelle der
Sonntagseucharistie treten, wo die Eucharistie nicht gefeiert werden kann.
... mit Kommunionfeier?
Soll mit der Wort-Gottes-Feier eine Kommunionfeier verbunden sein? Diese Frage ist
heftig umstritten. Die "Wort-Gottes-Feier" hat ihre eigene Gestalt und ihre eigene Bedeutung. Sie
bedarf nicht der Ergänzung durch eine Kommunionfeier. Diese kann nur allzuleicht das besondere Gewicht des
Wortes Gottes und das Wesen der Eucharistiefeier verdunkeln. Schließlich hat das letzte Konzil die früher
verbreitete Vorstellung überwunden, der Empfang der Kommunion könne einfach aus der Feier der Eucharistie
herausgelöst werden. Mich treibt die Sorge um, wir könnten das alles schon bald wieder vergessen und dort
landen, wo wir vor dem Konzil und der Liturgiereform waren: bei einer isolierten Kommunionfrömmigkeit. Ich
habe in meiner Kindheit und Jugend erlebt, wie die Eucharistiefeier zur Messandacht verkümmert war und im
Wesentlichen dazu diente, den Tabernakel mit Hostien zu füllen. Die Kommunion wurde häufig unabhängig von
der Heiligen Messe ausgeteilt: Es ging darum, dass jeder "seinen" Heiland bekam. Die
Liturgiereform hat versucht, diese enggeführte Kommunionfrömmigkeit auf eine Eucharistiefrömmigkeit hin
zu weiten: Als Volk Gottes sind wir mit Jesus Christus unterwegs vom Tod zum Leben. Der Kommunionempfang gehört
in diesen dynamischen Prozess der Eucharistiefeier, er sollte nicht davon getrennt werden.
Ob wir die mühsam erkämpfte Erneuerung der Eucharistie auf Dauer durchhalten können,
wenn sich die Kommunionfeier vom Notfall zum Normalfall entwickelt oder gar, völlig sinnwidrig, wenn sie als Speerspitze einer
zukunftsorientierten Pastoral verstanden wird? Ich fürchte: Nein! Ich fürchte, auf diesem Weg wird sich
nicht nur die Liturgiereform, sondern auch die damit zusammenhängende Kirchenreform zurückentwickeln.
Konvergenzen im Eucharistieverständnis, die das ökumenische Gespräch erreicht hat, würden in Frage
gestellt.
Ich halte es für besser, notfalls nur den einen der beiden Tische zu decken, den
des Gotteswortes, so reich wie nur eben möglich. Ich weiß, das ist für viele ein herber Verzicht. Wir dürfen
uns auf keinen Fall damit abfinden oder gar damit anfreunden, dass der Tisch des Herrenmahles leer bleibt.
Eine solche Leerstelle am Sonntag ist ein mahnendes Zeichen! Aber - ist es nicht besser, diese Leere
auszuhalten, als sich mit unbefriedigenden Lösungen zu arrangieren? Zwischen der Wort-Gottes-Feier und der
Eucharistiefeier gibt es kein eigenständiges Drittes.
Wie unbefriedigend eine Mischform ist, sieht man an der derzeitigen Karfreitags-Liturgie. Es ist zu hoffen,
dass mit der bevorstehenden kleinen Liturgiereform die Kommunionfeier in der Karfreitagsliturgie wegfällt.
In der sehr sensiblen Frage der Kommunionfeier helfen freilich Verordnungen nicht
weiter. Ich meine, man sollte "nach Möglichkeit" auf die Kommunionspendung verzichten. Unmöglich
wäre es, Gläubigen in ihrer spezifisch geprägten Kommunionfrömmigkeit, die ja in der Pastoral dieses
Jahrhunderts ausdrücklich geweckt und gefördert worden ist, einfach den Boden unter den Füßen
wegzuziehen und sie damit allein zu lassen. Je mehr die Wort-Gottes-Frömmigkeit Wurzeln schlägt und sich
entfaltet, wird der durch die Notlage hervorgerufene Verzicht auf die Kommunion "aufgefangen".
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