Predigten 2001



Die Eucharistie- bzw. Abendmahlsfeier und die Einheit der Kirche

Predigt von Pfarrer Lukasz zur Eröffnung der Gebetswoche für die Einheit der Christen am 14.1.2001

Die Eucharistie trennt

Auch wenn uns Katholiken und die evangelischen Mitchristen so viel verbindet, gibt es aber leider immer noch vieles, was uns voneinander trennt. Eine Trennung ist hier besonders tief und bildet einen großen Graben. Es handelt sich um die zentrale und wichtigste liturgische Feier: die Eucharistie – wie wir Katholiken sagen, oder das Abendmahl – wie die evangelischen Christen sie nennen.

Die katholischen Christen nehmen am evangelischen Abendmahl und die evangelischen Christen an der katholischen Eucharistiefeier in der Regel nicht teil. An dieser Praxis ändert nicht viel die Tatsache, dass evangelische Kirchen, im Gegensatz zur katholischen, das Abendmahl für alle Christen offen halten, d.h. auch nichtevangelische Christen sind zur Teilnahme eingeladen. Katholischerseits gilt die Regel - abgesehen von einigen Ausnahmen, auf die ich noch kommen werde – dass nur Christen, die in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, die eucharistischen Gaben empfangen dürfen. Die ökumenische Bewegung, der wir eine Annäherung in vielen Bereichen verdanken, stößt hier auf ihre Grenzen.

Es eilt!

Dass die Christen getrennt das Mahl des Herrn feiern, ist und bleibt ein großes Ärgernis. Die Suche nach einer Einigung ist hier besonders dringend. Die katholische Kirche steht unter dem äußeren und inneren Druck, die Eucharistie für Christen anderer Konfessionen zu öffnen. Mit der Frage der gegenseitigen Einladung zur Kommunion, der so genannten Interkommunion, verbindet sich die Frage einer gemeinsamen Feier der Eucharistie bzw. des Abendmahles, bei der die Amtsträger der getrennten Kirchen zusammenwirken und die Einsetzungsworte gemeinsam sprechen (sog. Interzelebration). Den katholischen Priestern ist es verboten, bei solchen Feiern mitzuwirken. Sie erinnern sich vielleicht an einen Vorfall beim Katholikentag 2000 in Hamburg. Der katholische Priester, der mit drei Geistlichen anderer Konfessionen bei einer ökumenischen Abendmahlsfeier mitgewirkt hatte, wurde von seinem Bischof, als Strafmaßnahme, vom Priesteramt suspendiert.

Die Frage der gemeinsamen Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier wird immer aktueller im Hinblick auf den geplanten ersten ökumenischen Kirchentag in Berlin im Jahre 2003. Einige Kreise auf der evangelischen wie auf der katholischen Seite nähren die Hoffnung, dass bis dahin eine gemeinsame Feier des Mahles des Herrn möglich sein könnte. Ich glaube nicht daran. So schnell wird die Annäherung in dieser wichtigen und zentralen Frage nicht kommen. Es werden wahrscheinlich noch Jahre oder auch Jahrzehnte vergehen müssen, bis sich die jetzt getrennten Christen gemeinsam am Tisch des Herrn versammeln können.

Die Eucharistie als Zeichen der vollen Einheit

Es wird so lange dauern, weil in der katholischen Auffassung die Eucharistiefeier ein höchstes Zeichen der Einheit der Gläubigen ist. Solange es noch Bereiche gibt, die die Christen voneinander trennen, so lange darf die Eucharistie nicht gemeinsam gefeiert werden. Die Eucharistiefeier - im katholischen Glauben - setzt eine umfassende, umgreifende Einheit im Glauben und in allen Lebensvollzügen voraus. Unter den Teilnehmern an der Eucharistiefeier, die dadurch "ein Geist und ein Leib" werden, darf nichts Trennendes bestehen. Es muss also zuerst eine Einheit erlangt werden in allen ökumenischen Fragen bevor wir uns zur gemeinsamen Eucharistiefeier versammeln können. Solange es getrennte Kirchen gibt, Kirchen mit eigenen Strukturen, eigenen Ordinationen und Weiheämtern, eigenen Sakramenten, eigenem Eucharistieverständnis, solange sind wir nicht reif – nach katholischer Überzeugung - für eine gemeinsame Eucharistiefeier.

Es wäre keine echte und tief greifende Einheit zwischen den Gläubigen, wenn die getrennten Christen zwar sonntags gemeinsam die Eucharistie feiern würden, aber dann gleich montags die Schulkinder in den nach Konfessionen getrennten Religionsunterricht gehen oder wenn ein konfessionsverschiedenes Ehepaar überlegen muss, ob es sein Kind katholisch oder evangelisch taufen lassen soll.

Eine gemeinsame Eucharistiefeier ist nicht Mittel zur Herstellung der Einheit, sondern sie ist das Ziel, die Krönung, die Vollendung der Ökumene. Sie steht deshalb nicht am Anfang, sondern am Ende des Prozesses der Einigung.

Aufgabe der theologischen Forschung

Die gemeinsame Eucharistiefeier kann weder von den pragmatisch denkenden Christen eingeführt werden, noch von der Autorität, z.B. vom Papst, verordnet werden. Es ist die Aufgabe der wissenschaftlichen Theologie die theologischen Grundlagen zu finden, auf denen die volle Einheit gebaut werden kann. Die gemeinsame ökumenische Forschung muss sich vor allem über das Verständnis des geistlichen Amtes und das Verständnis der Sakramente einigen. Weil es sich hier um die zentralen Fragen des Glaubens handelt, die einerseits von der Bibel und der Tradition vorgegeben sind, andererseits aber die Identität und das Selbstverständnis der getrennten Kirchen ausmachen, ist die Aufgabe äußerst schwierig.

Einheit in versöhnter Verschiedenheit?

Ein gängiges und viel diskutiertes Konzept für die Einheit als "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" wird vor allem von der evangelischen Seite vorgetragen. Es besteht darin, dass die Kirchen ihre Traditionen und organisatorischen Strukturen beibehalten - Verschiedenheit wird als Reichtum angesehen, sich aber in den Fragen der Predigt und der Spendung der Sakramente einigen. Aus katholischer Sicht gehört zu den Kernfragen auch die Frage der Einheit des geistlichen Amtes. Ohne eine Einigung in dieser Frage wird die Einheit nicht vollständig. Die Beibehaltung der unterschiedlichen Amtsstrukturen kann mit dem katholischen Verständnis der Einheit nicht vereinbart werden. Das Konzept der "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" liefert zwar einige gute Ansätze, ob es sich aber als Modell für die Einheit der Kirchen bewähren wird, ist – aus katholischer Sicht – anzuzweifeln.

Geltende Ausnahmen

Solange es keine Eucharistiefeier gibt an der alle Christen ohne Einschränkung teilnehmen können, gelten einige Regeln, die in seelsorglichen Einzelsituationen und als Ausnahme einen Nicht-Katholiken zum Eucharistieempfang zulassen. Es handelt sich grundsätzlich um eine Lebenssituation eines Nicht-Katholiken, die als "Notlage" bezeichnet wird. Sie kann physisch sein, wie z.B. Todesgefahr, Gefängnis, Verfolgung. Sie kann auch geistlich sein, wie z.B. in einer konfessionsverschiedenen Ehe, wenn die evangelische Seite zusammen mit dem katholischen Partner an der Eucharistie teilnehmen möchte. In diesem letzten Fall findet in der Regel ein Gespräch mit dem zuständigen Pfarrer statt, der dann die Erlaubnis geben kann. Zur Situation der "geistlichen Notlage" würden gehören – nach einer erweiterten Interpretation – auch die einmaligen Anlässe kirchlicher und familiärer Natur, wie z.B. Taufe, Trauung, Beerdigung oder auch ein Jubiläum z.B. ein Ehejubiläum.

In allen diesen Fällen verlangt das Kirchenrecht von den Christen, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, die Übereinstimmung mit dem Glauben der katholischen Kirche vor allem im Blick auf die Eucharistie, und die gute Disposition, die ein geistliches Verlangen nach Eucharistie und eine christliche Lebensführung einschließt (CIC 844,4).

Wie soll es weiter gehen?

Was können wir machen? Zuerst müssen wir Geduld aufbringen und keine Einheit feiern, dort wo sie noch nicht vorhanden ist. In Einzellfällen gibt es die Möglichkeit im Sinne der kirchlichen Bestimmungen zu handeln und eine Lösung für Betroffene zu finden. Wenn es um gesamtkirchliche Lösungen geht, dann können wir hoffen, dass eine mühsame und sorgfältige Arbeit der Theologen eines Tages zu einer Übereinstimmung in allen die Eucharistie betreffenden Fragen führen wird, so wie das bei der Rechtfertigungslehre bereits geschehen ist.

Eines ist klar: Die Trennung der Kirche ist angesichts von Jesu Willen zur Einheit ein bleibender Skandal. Der Wunsch vieler Christen, das Leiden an der Trennung vieler konfessionsverschiedener Ehen, ermahnen uns noch entschiedener nach Einheit zu suchen. Der Herr wird mit uns auch ungeduldig sein, er verlangt aber eine sorgfältige Arbeit, die sich durch vorschnelle Bestrebungen nicht beirren lassen soll.

Aus der katholischen Zurückhaltung gegenüber der gemeinsamen Eucharistie spricht die Überzeugung, dass es sich hier um einen heiligen, ja heiligsten Schatz unseres Glaubens handelt, und dass hier jede Beliebigkeit der eucharistischen Praxis fehl am Platz ist.

Es werden wahrscheinlich – wie gesagt – noch Jahre vergehen müssen, bis alle Christen gemeinsam die Eucharistie feiern können. Nützen wir diese Zeit, um die ökumenische Arbeit zu intensivieren und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu stärken. Arbeiten wir gemeinsam auf die Einheit hin, indem wir das, was schon vorhanden ist, festigen und neue Felder erschließen.

Nützen wir Katholiken diese Zeit und vertiefen wir unsere eucharistische Praxis: Gehen wir bewusster zum Tisch des Herrn, um ihn selbst unter den Gestalten von Brot und Wein zu empfangen. Stärken wir unsere eucharistische Gemeinschaft, die Gemeinschaft mit ihm, der uns zu seinem Mahl einlädt und die Gemeinschaft unter uns, die wir alle Gäste an seinem Tisch sind. Machen wir diese sonntägliche Eucharistiefeier immer mehr – wie es in den Dokumenten des II. Vaticanum heißt - zum Ziel und zum Höhepunkt unseres Lebens und unseres Glaubens.

Zur Vertiefung der Thematik:

Kardinal Karl Lehmann: Einheit der Kirche und die Gemeinschaft im Herrenmahl. Referat zur Eröffnung der Herbst-Vollversammlung 2000 der Deutschen Bischofskonferenz.

 



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Last updated 06.12.07