St. Albertus Magnus Ottobrunn

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Ehe und Familie - ihr christliches Grundverständnis

Übersicht:
 

 

1. Der Auftrag des Schöpfers

Den Sinn der Liebe zwischen Mann und Frau erläutert ein alter jüdischer Weisheitsspruch so: Gott habe die Frau nicht aus dem Kopf des Mannes geschaffen, dass sie über ihn herrsche, auch nicht aus seinen Füßen, dass sie seine Sklavin werde, sondern aus seiner Seite, damit ihre Herzen einander nahe seien. Die kirchliche Auslegung der ersten Schöpfungserzählung sieht in der Liebe zwischen Mann und Frau sogar ein Gleichnis, in dem sich das Geheimnis Gottes widerspiegelt: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie" (Gen 1,26). Das Höchste, was die Bibel über den Ursprung und das Ziel des Menschen sagen kann, nämlich dass er von Gott kommt und auf das Bild seines Schöpfers hin geschaffen ist, sagt sie von Mann und Frau gemeinsam aus. Mehr noch: Beide bilden das Geheimnis ihres Schöpfers auch in ihrer Beziehung und durch ihre Beziehung nach, nicht jeder für sich allein oder die Menschheit als ganze, sondern Mann und Frau, indem sie füreinander da sind. Weil Gott nach biblischem Verständnis nicht als ein einsam verschlossenes Wesen gedacht werden kann, sondern in sich selbst Leben und Austausch, Beziehung und Liebe ist, sind auch wir Menschen auf Liebe hin geschaffen und zur Liebe bestimmt.

Bereits am Anfang des individuellen Lebens steht die Beziehung. Der Mensch wird am du zum ich. Zur vollen Entfaltung seines Menschseins braucht das Kind von Anfang an liebevolle Zuwendung. Die ersten Jahre sind entscheidend für seine gesunde seelische Entwicklung. Ohne stabile Nahbeziehungen kann der Einzelne nicht zu einer gesunden, eigenständigen Persönlichkeit heranreifen. Nur indem das Kind die Erfahrung macht, angenommen und geborgen zu sein, kann es später als Erwachsener Vertrauen zu sich und der Welt fassen.

Ehe und Familie sind die Lebensformen, die diesem menschlichen Grundbedürfnis nach Liebe, Geborgenheit und Halt in besonderer Weise entsprechen. Sie unterscheiden sich von allen anderen Beziehungsformen, die unser Dasein bereichern, durch die Vorbehaltlosigkeit und die unbedingte Verlässlichkeit, mit der Ehepartner einander und ihre Kinder annehmen. Ehe und Familie sind daher nicht nur Grundeinheiten der menschlichen Gesellschaft, sondern Grundformen des menschlichen Lebens, das sich nur in Gemeinschaft entfalten kann.

Auch unverheiratete Menschen sowie Ordensleute und Priester, die freiwillig "um des Himmelreiches willen" (Mt 19,12) ehelos leben, stehen in vielfältigen Beziehungen, in denen sich ihr Menschsein erfüllt. Eheleute erfahren es jedoch in besonderer Intensität, gewissermaßen hautnah und konkret, dass menschliches Leben nur in Gemeinschaft gelingen kann. Indem er sie zur Ehe zusammenführt, zeigt Gott den Menschen, wozu sie als Frau und Mann geschaffen sind: Er stellt sie einander zur Seite, damit sie in ihrer Ehe ihren gemeinsamen Ort in dieser Welt finden.

2. Die Ehe schützt die Würde von Mann und Frau

Wenn Mann und Frau einander als einmalige Personen annehmen, dann verlangt ihre Liebe nach einem festen Rahmen, nach einer Gestalt, in der ihr Wille zur Vorbehaltlosigkeit und Endgültigkeit einen verbindlichen Ausdruck findet.

Weil das Verlangen nach Dauer jeder wirklichen Liebe eingeschrieben ist, braucht die Liebe zwischen Mann und Frau auch den rechtlichen Schutz und die institutionelle Bindung. Dadurch erfahren die Eheleute auch Entlastung und Unterstützung. Ebenso ist es für die Gesellschaft und die in ihr lebenden Menschen von großer Bedeutung zu wissen, auf welche Art sozialer Beziehungen angesichts leidvoller Erfahrungen in Unglück und Not, in Alter und Krankheit Verlass ist. Eben dies ist der Sinn einer rechtlichen Ordnung der Geschlechterbeziehung von Frau und Mann durch die Ehe: Die vor der gesellschaftlichen und kirchlichen Öffentlichkeit bekundete Bereitschaft, füreinander Verantwortung zu tragen, gründet das Verhältnis von Mann und Frau in neuer personaler Tiefe und stiftet so in ihrem gegenwärtigen Verhältnis wie auch gegenüber der Gesellschaft eine sichtbare Verlässlichkeit. Ein solches öffentliches Bekenntnis zueinander hat mehr Gewicht als ein nur privates mündliches Versprechen.

3. Familie baut auf der Ehe auf

Die Angewiesenheit auf rechtlichen Schutz gilt in gleicher Weise für die Ehe wie für die Familie: Nur die verbindliche Bereitschaft, in allen Lebenslagen füreinander einzustehen, schafft einen angemessenen Rahmen für die Übernahme von Elternverantwortung. Die Familie stützt sich nach christlichem Verständnis auf die Ehe. Da das Zusammenleben mit Kindern nicht nur eine Privatangelegenheit der Eltern ist, muss die Ordnung ihres Zusammenlebens auch um der Kinder willen verlässlich, stabil und öffentlichem Schutz unterstellt sein.

Kinder gehören ganz wesentlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, denn wahre Liebe will nicht für sich allein bleiben. Kinder sind eine "Gabe des Herrn" (Ps 127,3), ein Geschenk und ein Segen, sie sind die natürliche Frucht und Vollendung ehelicher Liebe. Eltern erfahren sich durch Kinder auf einzigartige Weise beschenkt und zugleich herausgefordert. Aber auch Ehepaare, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt, können aus der Erfahrung, dass wahre Liebe nicht für sich allein bleiben will, ihr Eheleben in der liebevollen Zuwendung zu anderen Menschen sinnvoll und schöpferisch gestalten.

4. Der geschichtliche Beitrag des Christentums

Die Ehe entspricht der menschlichen Sehnsucht nach ganzheitlicher, das heißt leiblicher, geistiger und seelischer Zuwendung und Geborgenheit. Sie soll Schutzraum für die personale Entfaltung der Geschlechter und die Zeugung und Erziehung der Kinder sein. Dies kann sie aber nur sein, wenn die Liebe der Ehegatten nicht willkürlich und auf den Augenblick bezogen ist, sondern dauerhaft und ausschließlich. Erst wenn sich Mann und Frau unbedingt geborgen und angenommen wissen, kann sich ihre Liebe voll entfalten. Der Anspruch unauflöslicher ehelicher Treue, den das Christentum von Anfang an als wechselseitige Forderung an Mann und Frau verstand, stellt deshalb eine wichtige Einsicht dar, hinter die ein wahrhaft menschlicher Umgang der Geschlechter nicht mehr zurückfallen darf.

Historisch gesehen hat die christliche Überzeugung von der Einheit, Unauflöslichkeit und sakramentalen Würde der Ehe die Entwicklung zu einem partnerschaftlichen und personalen Verständnis ehelicher Liebe, wie es uns heute selbstverständlich erscheint, wesentlich mitgeprägt. Der Kampf für die gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung der Ehe stellt eine der wichtigsten kulturgeschichtlichen Errungenschaften dar, die das Christentum in die moderne Gesellschaft eingebracht hat. Dabei ging es der Kirche trotz mancher Zugeständnisse an die historisch bedingten Eheauffassungen der jeweiligen Zeit in erster Linie darum, die Stellung der schutzbedürftigen Mitglieder des Familienverbandes, insbesondere der Frau, zu stärken und die Menschlichkeit des Menschen zu wahren. So hat sie im Gehorsam gegenüber der Weisung Jesu den Anspruch und die Lebbarkeit ehelicher Treue von Anfang an gegen alle scheinbare Erleichterung durch die gesellschaftliche Scheidungspraxis verteidigt. Später hat sie gegen römisches und germanisches Recht die Frau aus dem Status des Eigentums befreit. Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit hat sie dazu beigetragen, die Verantwortung für die Eheschließung in die Hände der Brautleute selbst zu legen. Auf diese Weise hat sie Mann und Frau aus der Bevormundung durch die Eltern und andere gesellschaftliche Kräfte befreit.

Gegen alle Skepsis und Verzweiflung, die als verborgene Grundstimmungen in unserer Gesellschaft vorhanden sind, hält die Kirche auch heute an der Fähigkeit des Menschen zu lebenslanger Liebe und Treue fest. Es beruht auf einer Verkennung der kulturgeschichtlichen Zusammenhänge, wenn die Ehe vielen als eine von der gesellschaftlichen Entwicklung überholte Lebensform erscheint, während alternative Partnerschaftsmodelle als Ausdruck eines attraktiven, zeitgenössischen Lebensstiles gelten, der vermeintlich dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Freiheit entgegenkommt. Politische Bestrebungen, unter dem Vorzeichen der Gleichbehandlung anderer Formen des Zusammenlebens die grundlegende Bedeutung von Ehe und Familie zu bestreiten und ihren besonderen rechtlichen Schutz einzuebnen, sind schädlich für die Menschen und von Grund auf zerstörerisch für die Gesellschaft.

5. Das Ja der Treue als Antwort auf das Ja Gottes zum Menschen

Für getaufte Christen bekommt das Ja der Treue dadurch sein besonderes Gewicht, dass sie es sich vor Gott und im Raum der kirchlichen Glaubensgemeinschaft versprechen. Ihre Liebe wird zum Sakrament der Nähe Gottes, das ihre gemeinsame Lebensgeschichte unter ein bleibendes Vorzeichen stellt. Ihr menschliches Ja-Wort, das sie einander geben, ist von dem endgültigen Ja, das Gott in Jesus Christus zu uns gesprochen hat, getragen und umfangen. Ihre Liebe ist im Sakrament der Ehe geheilt und geheiligt. Die Propheten des Alten Testamentes und der Apostel Paulus haben den Zusammenhang zwischen der Liebe Gottes zu den Menschen und der Liebe zwischen Mann und Frau deshalb im Bild eines unwiderruflichen "Bundes" dargestellt. Erst im Vertrauen darauf, dass ihre begrenzte Liebe von der größeren Liebe Gottes getragen und gehalten ist, können die Ehepartner es wagen, einander trotz ihrer Fehler und Schwächen vorbehaltlos anzunehmen. Wenn sie einander das Sakrament der Ehe spenden und dadurch den Bund ihrer Ehe stiften, vertrauen und hoffen sie darauf, dass Gott die Treue, die er seinem Volk immer wieder erwiesen hat, auch ihnen Tag für Tag erweisen wird. Der große Segen über die Brautleute, der im Anschluss an das feierliche Eheversprechen vom Priester gesprochen wird, bekräftigt, dass die Ehe als sakramentales Zeichen den Bund Gottes mit den Menschen darstellt und ein Abbild der Liebe Christi ist (vgl. Eph 5,21-33).

In ihrem Eheversprechen bauen die Eheleute deshalb nicht nur auf ihre eigene Kraft. Sie bringen ihr Vertrauen zum Ausdruck, einander für das Wachstum ihrer Liebe Zeit zu lassen, ohne diese Zuwendung an irgendwelche Bedingungen zu knüpfen. Sie sind bereit, ihr ganzes eigenes Wollen in das gemeinsame Leben einzubringen, auch wenn dies unter Umständen die Zurückstellung eigener Interessen und Erwartungen erfordern kann. Da das Eheversprechen aber im Angesicht Gottes gegeben wird, bekunden die Ehepartner zugleich, dass sie nicht nur auf ihre eigene Kraft hoffen. Sie verstehen ihr Versprechen vielmehr als eine ständige Bitte an Gott, ihnen die Kraft zu geben, ihre Liebe im täglichen Leben zu bewahren.

Wenn die Ehe der Weg ist, auf dem die Eheleute zusammen mit ihren Kindern immer tiefer in Gottes Liebe hineinwachsen sollen, dann schließt dieser Weg auch Umkehr und das Ringen um Versöhnung ein. Das Leiden an menschlicher Unvollkommenheit, der eigenen wie der des Partners, und die Verarbeitung von Schuld sind notwendige Reifeschritte, die in keiner Ehe ausbleiben. Wenn solche Krisen in der Bereitschaft zur Versöhnung angenommen werden, tragen sie zu den unvermeidlichen Wandlungen des Lebens und zum Gelingen der Liebe bei.

Der Schutzraum der Ehe, in dem Frau und Mann sich einander schenken, um aus Gottes Verheißung miteinander zu leben, bedeutet von sich aus allerdings keine Garantie für das Gelingen der Ehe. Auch Ehepaare stehen vor der Aufgabe, eine je eigene Form von gelebter Partnerschaft zu finden und ein Leben lang weiter zu entwickeln - im Aufbau und in der Pflege einer Gesprächskultur, in der Entfaltung von Zärtlichkeit und sexueller Gemeinschaft, in der Entscheidung zu Kindern und in der Kindererziehung, in der einvernehmlichen Zuordnung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit, in der Kultivierung von Bedürfnissen und gegenseitiger Rücksichtnahme sowie in der Suche nach einem gemeinsamen Lebensstil. Aber weil sie den Spielraum dafür nicht je von neuem ausmessen und füreinander bereitstellen müssen, bedeutet die Ehe auch eine Entlastung von der Überforderung, die Grundlagen des gemeinsamen Lebens täglich neu aushandeln zu müssen. Ehe ist so immer beides: vorgegebene Lebensform und verantwortlich gestaltete Beziehung. Sie wird umso besser gelingen, je bewusster den Partnern vor Augen steht, dass auch ihr gemeinsames Leben im Miteinander von göttlicher Gabe und menschlicher Aufgabe gründet. So erfüllen sie durch ihr gemeinsames Leben in besonders dichter und unverwechselbarer Weise das, was uns allen als Gemeinde Jesu Christi aufgetragen ist: "Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat" (Röm 15,7).

 

 
Quellennachweis:
Die deutschen Bischöfe: Ehe und Familie in guter Gesellschaft, 17.1.1999, Hsg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz

 
 
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Last updated 11.01.10