Zum Geleit
Es ist jemand gestorben, der Ihnen viel
bedeutet. Vielleicht kam der Tod ganz plötzlich, und Sie können es noch gar nicht wahr haben. Oder hatte
sich das Ende schon vor Monaten angekündigt in der Unerbittlichkeit einer unheilbaren Krankheit, begleitet
von langsamer Auszehrung aller Lebenskräfte?
Die Wunde, die der Verlust gerissen hat, liegt offen. Noch können Sie sich nicht vorstellen, wie das Leben
ohne den Verstorbenen weitergehen wird. Und doch müssen Sie sich im Augenblick um so vieles kümmern. Dabei
erscheint angesichts des Schmerzes um den Verlust alles andere so nebensächlich und unwesentlich.
Verwandte und Freunde suchen Sie zu trösten. Aber Sie merken vielleicht, dass manche Worte, die Sie hören
und die Sie oft selber in ähnlicher Situation anderen gesagt haben, jetzt wenig Trost bringen, sondern eher
ein Ausdruck der Verlegenheit sind. Was Sie sich wünschen, ist jemand, der Ihnen in diesem Augenblick
diskret und unaufdringlich zur Seite steht und hilft. |
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Wir
trauern nicht wie die, die keine Hoffnung haben
(1 Thess 4,13)
Die Begegnung mit dem Tod lässt keinen Menschen unberührt. Beim Abschied von einem
lieben Menschen, beim Verlust eines Angehörigen oder Freundes brechen Fragen auf, die im Alltag oft verdrängt
werden. Angesichts des Todes entsteht Betroffenheit, der sich kaum jemand entziehen kann: Das Leben ist
endlich, es hat eine Grenze. Was bedeutet diese Grenze? Ist sie Abbruch, endgültiger Untergang, Zerstörung,
oder ist sie Durchgang, Verwandlung, Neubeginn? Was wird mit dem Verstorbenen sein?
Die Religionen der Menschen haben verschiedene Antworten auf diese zentralen Fragen
des Menschen gesucht, Antworten, die sich vor allem an den Totenbräuchen ablesen lassen. Die alten Ägypter
beispielsweise haben den Leichnam gewaschen, gesalbt und angekleidet; sie haben dem Toten Gaben ins Grab gelegt
(Speisen, Schmuck, Gegenstände des alltäglichen Lebens u.a.). So haben sie ihrer Ehrfurcht vor dem Toten und
der Gewissheit des Weiterlebens nach dem Tod Ausdruck verliehen. In der chinesischen Religion stehen die
Trauerzeiten der Verwandten im Vordergrund. Je nach Verwandtschaftsgrad sind sie unterschiedlich lang, z.B.
beim Tod der eigenen Mutter bis zu drei Jahren. So ist zwischen Lebenden und Verstorbenen ein tiefer
Zusammenhang gewahrt.
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Welche Antwort gibt
der christliche Glaube auf die Herausforderung des Todes? Die Heilige Schrift des Alten Testamentes ist
lange Zeit sehr zurückhaltend mit ihren Aussagen über den Tod. Sie lässt ihn in seiner Unbegreiflichkeit
und Unfassbarkeit stehen, umfangen und getragen nur vom Glauben an den großen und mächtigen Schöpfergott.
Aus diesem Glauben wächst mehr und mehr die Überzeugung: Gott ist uns treu auch über den Tod hinaus.
Die Heilige Schrift des Neuen Testamentes stellt als große Hoffnung eine neue Erfahrung und ein neues Bild
in die Mitte: Die Auferstehung des Menschen mit Leib und Seele. Tiefster Grund dieser Hoffnung ist Jesus
Christus. Er ist den Weg des Menschen gegangen bis zum Tod. Gott aber, der Schöpfer und Herr des Lebens,
hat ihn von den Toten auferweckt. Jesu Auferstehung bedeutet keine Rückkehr in das vorige Leben, auch keine
Wiedergeburt, sondern Verwandlung in ein neues Leben, ewiges Angenommen- und Geliebtsein von Gott. |
Weil Jesus lebt, werden auch wir leben. Darum bekennen wir:
Wir glauben an die Auferstehung des Fleisches und an das ewige Leben. Die Heilige Schrift spricht vom
himmlischen Hochzeitsmahl, von der Freude, beim Herrn zu sein (vgl. 2 Kor 5,8), vom Schauen von Angesicht zu
Angesicht, vom Leben in Fülle - Bilder voll Hoffnung und Zuversicht. Für viele hat sich diese Hoffnung schon
erfüllt (Heilige) und von keinem Menschen hat die Kirche bisher gesagt, dass er sie endgültig verfehlt hat.
Der christliche Glaube verdrängt den Tod nicht; er
verharmlost ihn nicht. Der Tod bedeutet Schmerz, Trennung, Abschied. Doch im Glauben an den auferstandenen
Herrn trauern wir nicht "wie die anderen, die keine Hoffnung haben" (1 Thess 4,13).
Die
kirchliche Begräbnisfeier
An manchen Orten wird bei der Überführung des Toten zur Aufbahrung in
der Friedhofskapelle oder in der Aussegnungshalle eine Aussegnung (Verabschiedung) gehalten. Dabei wird
der Sarg mit Weihwasser besprengt. Nach einem Wort aus der Heiligen Schrift wird ein Psalm gebetet. Es folgen
Kyrie-Rufe, das Gebet des Herrn und ein Schlussgebet.
Die
Liturgie der Begräbnisfeier
Es ist ein guter alter Brauch, dass an den Tagen zwischen dem Tod und dem
Begräbnis mit den Angehörigen, Nachbarn und Bekannten der Sterberosenkranz gebetet wird.
Beim Begräbnis erweist die Kirche dem Verstorbenen einen Dienst brüderlicher Liebe. Sie gedenkt dabei des
Todes und der Auferstehung des Herrn und spricht den Trauernden christlichen Trost zu.
Es gehört zur Achtung vor dem Toten und zur ehrlichen Anteilnahme an der Trauer der Angehörigen, an der
Beerdigung in Stille und in Besinnung teilzunehmen.
Die Begräbnisfeier findet in der Regel in drei Stationen statt:
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 | in der Kirche |
 | in der Aussegnungshalle (Friedhofskapelle) |
 | am Grab |
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1. In der Kirche
Der Eucharistiefeier für den Verstorbenen (oft auch Begräbnismesse,
Seelenamt oder Requiem genannt) kommt eine besondere Bedeutung zu. In ihr gedenken wir des Todes und der
Auferstehung des Herrn. In ihr sagen wir Dank für die Erlösung und für unsere Hoffnung auf ewiges Leben. In
ihr feiern wir das Opfer Christi und legen Fürbitte für den Verstorbenen ein. Am Tisch des Herrn wissen sich
Christen mit ihren Verstorbenen verbunden.
Die Osterkerze ist bei der Seelenmesse Sinnbild des Auferstandenen. So wird der Zusammenhang von Taufe, Sterben
und Auferstehen der Gläubigen mit der Auferstehung Christi sichtbar gemacht.
Nicht immer kann die Eucharistiefeier, vor allem in der Stadt, unmittelbar mit der Begräbnisfeier verbunden
werden. Sie wird dann zu einem eigens angesetzten Zeitpunkt in der Pfarrkirche gefeiert.
2. In der Aussegnungshalle (Friedhofskapelle)
Zur Beerdigung trifft sich die Trauergemeinde am Ort der Aufbahrung.
Als Christen verabschieden wir uns vom Verstorbenen, indem wir ihn Gott empfehlen. Wir tun es in der Überzeugung,
dass wir mit dem Verstorbenen über den Tod hinaus verbunden bleiben.
Der Sarg wird mit Weihwasser besprengt. Es wird ein Psalm gebetet. Dann folgen Bittrufe für
den Verstorbenen, bei denen die Gemeinde antwortet: "Erlöse ihn (sie), o Herr!" Anschließend
begleiten die Trauernden den Sarg zum Grab. Häufig ist es noch guter Brauch, auf dem Weg dorthin zu beten.
3. Am Grab
Nun folgt die Beisetzung. Das Grab wird gesegnet. Wenn der
Sarg ins Grab gesenkt ist, spricht der Priester (Diakon oder ein anderer vom Bischof Beauftragter) das Schriftwort:
"Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder,
der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben" (Joh 11,25); (oder ein anderes Schriftwort).
Dann besprengt der Priester den Sarg mit Weihwasser und spricht die Worte: "Im Wasser und im
Heiligen Geist wurdest Du getauft. Der Herr vollende an Dir, was er in der Taufe begonnen hat." Dann
inzensiert er den Sarg mit Weihrauch und wirft Erde auf den Sarg als Zeichen der Vergänglichkeit
allen Lebens. Als Ausdruck der Hoffnung macht er ein Kreuzzeichen über das Grab.
Fürbitten für Lebende und Verstorbene und das gemeinsam gesprochene Vaterunser
beschließen die Feier des christlichen Begräbnisses.
Unerlöste Trauer
Die Bestattungsfeier ist vorüber. Das Leben muss weitergehen. Manche
Verpflichtungen sind noch zu erfüllen, z.B. Danksagungen, Behördengänge, Haushaltsauflösung,
Testamentsvollstreckung und anderes mehr. Oft ist es gut, in dieser Weise gefordert zu sein, weil dann
wenigstens zeitweise die Gefühle der Trauer in den Hintergrund treten. Dennoch: Auf Dauer lassen sich Trauer
und Erschütterung im Zusammenhang mit dem Tod eines Angehörigen oder eines Menschen, zu dem man in persönlicher
Beziehung stand, nicht verdrängen.
Wenn z.B. Ehepartner lange gut miteinander gelebt haben, dann wird der
Verlust des einen im Hinterbliebenen nicht selten eine tiefe Krise auslösen: "Ich komme darüber nicht
hinweg! Mein Leben ist sinnlos geworden." Vielleicht sagt mancher sogar: "Wie konnte er mir das
antun?" Man will den geliebten Menschen mit aller Kraft festhalten, ihn nicht los lassen, man will ihn
nicht freigeben für seine Vollendung in Gott. Sind in einem solchen Fall nicht auch Selbstmitleid und Egoismus
Ursache der Verzweiflung? Wäre es nicht ein Zeichen wahrer Liebe, dem Verstorbenen das größere Leben bei
Gott zu gönnen? Alle, die sich zu einer solchen Haltung durchringen, werden eine ebenso tröstende wie beglückende
Nähe des Toten verspüren.
Ein Todesfall kann auch Ursache vieler Selbstvorwürfe werden, vor allem,
wenn er plötzlich und unerwartet eingetreten ist: "Diesen oder jenen Streit hätte ich doch vermeiden können!
Warum hatte ich immer so wenig Zeit für sie, für ihn? Wäre ich doch toleranter, rücksichtsvoller,
verstehender und hilfsbereiter gewesen! Ich habe ihm, ich habe ihr oft sehr wehgetan und mich nicht
entschuldigt."
Man sieht jetzt vieles in einem anderen Licht. "Wir hätten öfter
miteinander reden sollen, jetzt ist es zu spät!" All das und vieles andere belastet das Gewissen. Der
Wunsch, das Versäumte wieder gut zu machen, wird quälend. Es gibt Menschen, die sich dann selber bestrafen;
sie nehmen keinen Trost an, weder von mitfühlenden Menschen noch den Trost, der aus dem Glauben kommt. Sie
meinen, sie wären es dem Verstorbenen schuldig, trostlos in Trauer zu verharren. Aber das ist keine
Wiedergutmachung!
Was immer wir einem Verstorbenen zu dessen
Lebzeiten an Unrecht zugefügt haben - und sei es z.B. eine verweigerte Versöhnung -‚ ein erster
Schritt der Wiedergutmachung ist es, wenn wir ohne Ausflüchte zu dem stehen, was war. Dazu gehört auch,
dass wir uns gerade in dem Bereich, wo wir versagt haben, um eine positive Änderung unseres Lebens bemühen.
Im Blick auf unser Beispiel hieße das konkret, offener und versöhnlicher gegenüber unseren Mitmenschen zu
werden. Schließlich sollten wir unsere Schuld vor Gott eingestehen und ihn um Vergebung bitten. Mehr und
mehr wird uns dadurch die tröstliche Gewissheit zuteil, dass Gott selber ergänzt, was wir versäumt, und
heilt, was wir verwundet haben.
Auch der Verstorbene hat nach christlichem Glauben die Chance, im Lichte Gottes eigenes Unrecht einzusehen,
nachzureifen und zur größeren Liebe fähig zu werden. Das zu bedenken ist besonders dann wichtig, wenn uns
der Verstorbene in seinem Leben weh getan hat. |
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Seine Veränderung zum Guten kann auch uns
helfen, mehr und mehr frei zu werden von Gefühlen der Verbitterung, der Feindseligkeit oder gar des Hasses.
Dann können auch wir beten: "Herr, gib ihm die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihm. Herr, lass ihn
ruhen in Frieden!" So bekommt unser Leben eine neue Qualität, die Zeit unerlöster Trauer und Bitterkeit
ist vorüber.
Gedanken über das eigene Sterben
Ein persönliches Zeugnis
Über das Sterben zu reden, fällt mir leichter, wenn es andere
betrifft. Aber ich habe Angst vor dem eigenen Sterben, auch als Christ. Gedanken an den Tod verdränge ich
immer wieder.
Durch den Tod eines lieben Menschen wurde mir bewusst: Auch ich muss einmal sterben. Mir wurde bewusst, dass
Leben und Sterben zusammengehören. Diese Erfahrung hat viel in mir ausgelöst.
Wie wird mein Sterben sein? Muss ich viel leiden? Was muss ich
alles zurücklassen? Werde ich allein sterben müssen oder wird jemand bei mir sein? Ich dachte an den
Abschied von lieben Menschen, daran, dass ich vielleicht keine Zeit mehr haben werde, Unrecht wieder
gutzumachen. Diese Gedanken erschreckten mich, aber dann waren auch noch andere Gedanken da: Ich kann mich
fallen lassen. Ich werde von Leid erlöst. Schmerzen hören auf. Als Christ hoffe ich, dass Gott bei mir
sein wird, mich auch in dieser Stunde nicht allein lassen wird, weil ich glaube, dass er mich liebt.
Alle diese Gedanken versuche ich in mein Leben herein zu nehmen,
ohne immer an mein Sterben zu denken. Ich versuche, bewusster zu leben, als Christ zu leben, dem zugesagt
ist, dass es nach diesem Leben weitergeht mit ihm und mit Gott.
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Bewusster leben heißt für mich aber auch,
Wichtiges und Unwichtiges in meinem Leben zu unterscheiden und entsprechend zu leben. Wichtig ist nicht, dass
ich alles haben muss, was ich haben könnte, sondern dass ich überlege, was ich wirklich brauche, und lerne
loszulassen. Wichtig sind die Mitmenschen, ihr Leid und ihre Freuden, und dass ich bereit bin, für sie da zu
sein. Wenn ich auf andere zugehe, ihnen helfe, ihr Leid mit trage, nehme ich mich nicht so wichtig. Ich kann
dadurch lernen, mich zurückzunehmen und kann leichter verzeihen. Das Gebet ist für mich bei all diesen
Gedanken eine große Hilfe.
Gerade in diesen Situationen des Lebens erfahre
ich Dunkelheit, Verlassenheit und Tiefen, aber auch wie es wieder hell wird, mir wieder Kraft zukommt, ich
wieder weiterleben kann.
Ist das nicht immer wieder Sterben und
Auferstehen?
Wird die Angst vor dem eigenen Sterben kleiner,
wenn ich mein Leben so sehen kann? Ich habe diese Hoffnung.

Anmerkung:
Der vorliegende Text wurde auszugsweise dem Heft "Christliches Sterben" entnommen, herausgegeben vom
Erzbischöflichen Seelsorgereferat München, Rochusstraße 5-7, 80333 München.